Die Wolken: die Schauspieler der Lüfte.

August Pauly (1850 - 1914)



Weiße Wolken

Weiße Wolken gehn im Blauen;
als, ein Kind, im Gras ich lag,
liebt' ich's ihnen nachzuschauen,
träumte einen schönen Tag.

Weiße Wolken wandern immer,
und ich freu, ein alter Mann,
mich an ihrem lichten Schimmer,
denk an meine Jugend dann.

Weiße Wolken werden wandern,
wenn ich lange nicht mehr bin;
träumt ein Hügel unter andern,
und sie ziehen oben hin.

Gustav Falke  1853 - 1916

Drinnen im Strauß

Der Abendhimmel leuchtet wie ein Blumenstrauß;
Wie rosige Wicken und rosa Klee sehen die Wolken aus.
Den Strauß umschließen die grünen Bäume und Wiesen,
Und leicht schwebt über der goldenen Helle
Des Mondes Sichel wie eine silberne Libelle.
Die Menschen aber gehen versunken tief drinnen im Strauß,
wie die Käfer trunken, und finden nicht mehr heraus.

Max Dauthendey  (1867 - 1918)

Keine Wolke stille hält,
Wolken fliehn wie weiße Reiher;
Keinen Weg kennt ihre Welt,
Und der Wind, das ist ihr Freier.

Wind der singt von fernen Meilen,
Springt und kann die Luft nicht lassen
Einer Landstraß nachzueilen,
Menschen um den Hals zu fassen.

Und das Herz singt auf zum Reigen,
Schweigen kann nicht mehr die Brust;
Menschen werden wie die Geigen,
Geigen singen unbewußt.

Max Dauthendey  (1867 - 1918)

Wolken sind Gedanken,
die am Himmel stehn.
Keine Schrift der Erde
schrieb sie je so schön

Manchmal hingerissen
hart und wie im Zorn,
manchmal wie im Traume
leise und verlor'n.

Und seit Ewigkeiten
stehen so sie da,
eh' ein Menschenauge
noch nach ihnen sah.

Und in Ewigkeiten werden
so sie stehn,
auch wenn Menschenaugen
längst sie nicht mehr sehn.

Herrmann Claudius (1878-1980)



Wolken
Am nächtigen Himmel
Ein Drängen und Dehnen,
Wolkengewimmel
In hastigem Sehnen,
In lautloser Hast
– Von welchem Zug
Gebietend erfaßt? –
Gleitet ihr Flug,
Es schwankt gigantisch
Im Mondesglanz
Auf meiner Seele
Ihr Schattentanz,
Wogende Bilder,
Kaum noch begonnen,
Wachsen sie wilder,
Sind sie zerronnen,
Ein loses Schweifen ...
Ein Halb-Verstehn ...
Ein Flüchtig-Ergreifen ...
Ein Weiterwehn ...
Ein lautloses Gleiten,
Ledig der Schwere,
Durch aller Weiten
Blauende Leere.

Hugo von Hofmannsthal  1874-1929

Das Märchen von der Wolke
Der Tag ging aus mit mildem Tone,
so wie ein Hammerschlag verklang.
Wie eine gelbe Goldmelone
lag groß der Mond im Kraut am Hang.
Ein Wölkchen wollte davon naschen,
und es gelang ihm, ein paar Zoll
des hellen Rundes zu erhaschen,
rasch kaut es sich die Bäckchen voll.
Es hielt sich lange auf der Flucht auf
und sog sich ganz mit Lichte an; -
da hob die Nacht die goldne Frucht auf:
Schwarz ward die Wolke und zerrann.

Rainer Maria Rilke  1875-1926

Nicht mehr die Salzluft, nicht die öden Meere,
Drauf Winde stürmen hin mit schwarzem Schall.
Nicht mehr der großen Horizonte Leere,
Draus langsam kroch des runden Mondes Ball.

Schon fliegen große Vögel auf den Wassern
Mit wunderbarem Fittich blau beschwingt,
Und weiße Riesenschwäne mit dem blassern
Gefieder sanft, das süß wie Harfen klingt.

Schon tauchen andre Sterne auf in Chören,
Die stumm wie Fische an dem Himmel ziehn.
Die müden Schiffer schlafen, die betören
Die Winde, schwer von brennendem Jasmin.

Am Bugspriet vorne träumt der Genueser
In Nacht hinaus, wo ihm zu Füßen blähn
Im grünen Wasser Blumen, dünn wie Gläser,
Und tief im Grund die weißen Orchideen.

Im Nachtgewölke spiegeln große Städte,
Fern, weit, in goldnen Himmeln wolkenlos,
Und wie ein Traum versunkner Abendröte
Die goldnen Tempeldächer Mexikos.

Das Wolkenspiel versinkt im Meer.
Doch ferne Zittert ein Licht im Wasser weiß empor.
Ein kleines Feuer, zart gleich einem Sterne.
Dort schlummert noch in Frieden Salvador.

Georg Heym 1887 - 1912

Ein Rudel kleiner Wolken

Ein Rudel kleiner Wolken
Schwimmt durch die Abendhelle,
Wie graue Fische im Meere
Durch eine blendende Welle.

Und Mückenscharen spielen
Im späten Winde rege,
Sie tanzen zierliche Tänze
Am warmen staubigen Wege.

Und zwischen Wolken und Erde,
Über die Bäume, die schlanken
Zieh'n auf der Straße zum Monde
Die uralten Liebesgedanken.

Max Dauthendey 1867 - 1918

 Es ist für mich ein eigener Genuß,

abends beim Spazierengehen die Wolken zu betrachten.

Meine Phantasie leiht ihnen die sonderbarsten Gestalten,

und sind sie gar zu nichts bezeichnend,

so stelle ich mir zum wenigsten vor,

der blaue Himmel sei der Ozean

und die hin und wieder zerstreuten Wolkenmassen Inseln.

Dahin baue ich mir Hütten, wohne dort mit meinem Mädchen, und so dann weiter.

 Grillparzer (1791 - 1872)

Ich möchte laut über die Mauern hinausrufen:

O bitte beachten Sie doch diesen herrlichen Tag!
Vergessen Sie nicht, wenn Sie noch so beschäftigt sind,

den Kopf zu heben und einen Blick auf diese riesigen,

silbernen Wolken zu werfen

und auf den stillen blauen Ozean, in dem sie schwimmen.
Beachten Sie doch die Luft,

die vom leidenschaftlichen Atem der Lindenblüten schwer ist,

und den Glanz und die Herrlichkeit,

die auf diesem Tag liegen; denn dieser Tag kommt nie, nie wieder!

Rosa Luxemburg (1870 - 1919)

Strandlust

Gern bin ich allein an des Meeres Strand,
Wenn der Sturmwind heult und die See geht hohl,
Wenn die Wogen mit Macht rollen zu Land,
O wie wird mir so kühn und so wonnig und wohl!

Die segelnde Möwe, sie ruft ihren Gruß
Hoch oben aus jagenden Wolken herab;
Die schäumende Woge, sie leckt meinen Fuß,
Als wüßten sie beide, wie gern ich sie hab'.

Und der Sturm, der lustig das Haar mir zaust,
Und die Möw' und die Wolke, die droben zieht,
Und das Meer, das da vor mir brandet und braust,
Sie lehren mich alle manch herrliches Lied.

Doch des Lebens erbärmlicher Sorgendrang,
O wie sinkt er zurück, wie vergess' ich ihn,
Wenn die Wogenmusik und der Sturmgesang
Durch das hoch aufschauernde Herz mir ziehn!

Hermann Ludwig Allmers (1821 - 1902)

Resurrectio

Flut, die in Nebeln steigt. Flut, die versinkt.
O Glück: das große Wasser, das mein Leben überschwemmte, sinkt, ertrinkt.
Schon wollen Hügel vor. Schon bricht gesänftigt aus geklärten Strudeln Fels und Land.
Bald wehen Birkenwimpel über windgesträhltem Strand.
O langes Dunkel. Stumme Fahrten zwischen Wolke, Nacht und Meer.
Nun wird die Erde neu. Nun gibt der Himmel aller Formen zarten Umriß her.
Herzlicht von Sonne, das sich noch auf gelben Wellen bäumt -
Bald kommt die Stunde, wo dein Gold in grünen Frühlingsmulden schäumt -
Schon tanzt im Feuerbogen, den der Morgen übern Himmel schlägt,
Die Taube, die im Mund das Ölblatt der Verheißung trägt.

Ernst Stadler  1883 - 1914

Die Nachtblume

Nacht ist wie ein stilles Meer,
Lust und Leid und Liebesklagen
Kommen so verworren her
In dem linden Wellenschlagen.


Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Ob's Gedanken oder Träume? -


Schließ ich nun auch Herz und Mund,
Die so gern den Sternen klagen:
Leise doch im Herzensgrund
Bleibt das linde Wellenschlagen.

Joseph von Eichendorff  1788-1855

Wolke am Abend

Hoch im Himmel, in dem stillen, klaren,
Segelt, scharf von hellem Blau begrenzt,
Eine Wolke, ganz von wunderbaren
Abendlichtern goldig überglänzt.

Einer Insel gleich, die leidentwöhnte,
Ewig frohe Göttermenschen trägt,
Also zieht sie durch die gottversöhnte
Blaue Flut, die keine Welle schlägt,

Manchesmal beschattet sie die fahle,
Müde Landschaft zärtlich, muttermild,
Und des Sees grüne Spiegelschale
Trinkt begierig ihr entzückend Bild.

Jetzt von ihrem rötlichen Gestade
Fällt ein Leuchten in das tiefe Land,
Und ich ahne: eine hohe Gnade
Faßt noch heute meine Menschenhand.

Alfons Petzold (1882-1923)

Himmelstrauer

Am Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke,
Die düstre Wolke dort, so bang, so schwer;
Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke,
Wirft sich der Strauch im Winde hin und her.

Vom Himmel tönt ein schwermutmattes Grollen,
Die dunkle Wimper blinzet manches Mal, –
So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen, –
Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. –

Nun schleichen aus dem Moore kühle Schauer
Und leise Nebel übers Heideland;
Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer,
Die Sonne lässig fallen aus der Hand.
 
Nikolaus Lenau  1802-1850

Wolken und Wellen

Es schweben die rötlichen Wolken
Hoch über Stadt und See.
Was bergt ihr in luftigen Falten,
Ist's Lust, ist's herbes Weh?

Sie türmen sich auf und dräuen,
Sie glühn im Wetterschein
Und werden in wenigen Stunden
Verweht, vergessen sein.

Am Ufer branden die Wellen,
Sie rollen stolz daher.
Sie schäumen im Sand und zerrinnen,
Kein Auge schaut sie mehr.

Die Wolken und Wellen zerfliessen,
Nur eines bleibt gewiss,
Das ist der blaue Himmel
Dort in dem Wolkenriss.

Rudolf von Tavel (1866 - 1934)

 



**********************************************
Alle Grafiken sind urheberrechtlich geschützt !
All graphics are protected by copyright !