Wanderlust

Ich zieh' so froh die Welt entlang -
Da gehn die Ströme ihren Gang;
Die Berge ragen hoch und blau -
O grünes Thal - o sanfte Au!
O frisches Herz in freier Brust!
O Wanderwonne, Wanderlust!
"Hinaus! hinaus aus deinem Nest!
Das Wandern ist das Allerbest'!"

Wer sich mit schweren Sorgen plagt,
An wessen Herz ein Kummer nagt,
Und wer sich krank und elend glaubt,
Und wem die Seele eingestaubt:
Der nehme seinen Wanderstab
Und geh' die Welt bergauf, bergab!
"Hinaus! hinaus aus deinem Nest!
Das Wandern ist das Allerbest'!"

Heinrich Seidel  1842-1906

Das Wandern ist des Müllers Lust

Das Wandern ist des Müllers Lust...
Das muß ein schlechter Müller sein,
dem niemals fiel das Wandern ein...

Vom Wasser haben wir´s gelernt...
Das hat nicht Ruh´ bei Tag und Nacht,
ist stets auf Wanderschaft bedacht...

Das seh´n wir auch den Rädern ab...
Die gar nicht gerne stille steh´n,
und sich bei Tag nicht müde dreh´n...

Die Steine selbst so schwer sie sind...
Sie tanzen mit dem muntern Rhein
und wollen gar noch schneller sein...

O Wandern, Wandern meine Lust...
Herr Meister und Frau Meisterin
laßt mich in Frieden weiterzieh´n...

Wilhelm Müller ( 1794 -1827 )

Einsam muß du wandern,
willst du innige Zwiesprache halten mit Baum,
Blume und Wolkenzug.

Hans Gaefgen, (1894 - 1939)




Ein grünes Blatt

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
ich nahm es so im Wandern mit,
auf daß es einst mir möge sagen,
wie laut die Nachtigall geschlagen,
wie grün der Wald, den ich durchschritt.

Theodor Storm, (1817 - 1888)

Spruch zum Wandern

Empfange mich, du reine Luft,
und gieb mir deine Kraft;
vertilge, was in mir an Gruft,
und nähre, was da schafft!

Dass ewig neuen Blutes Strom
verjüngten Adern kreise
und erdenmütterlich Arom
noch fernste Träume speise!

Christian Morgenstern  1871 - 1914

Wasserfahrt

Manchmal nachts an Meereswogen
Steht ein Kind, des Sehnens voll:
Dann kommt ein Delphin gezogen,
Trägt das Kind durchs Flutgeroll.
Meerfrau'n steigen auf im Kreise,
Hoch der Mond am Himmel schwebt,
Und sie schaun's und murmeln leise:
"'s ist ein Stern, der wandern geht."

Therese Dahn, (1845 - 1929)

Frühlingstag

Sonnenschein auf allen Dächern,
In den Gassen laue Luft,
Silberbläulich strahlt der Himmel,
Und die Berge steh'n in Duft.

Junges Herz, hinaus ins Freie,
Und vorbei an Liebchens Haus!
Schau, vor ihrem offnen Fenster
Steht ein frischer Blumenstrauß!

Möcht' ich doch vor allem wissen,
Wem die holden Blumen sind?
Doch der Schelm läßt sich nicht blicken,
Nur der Vorhang bebt im Wind.

Heute abend hinterm Garten
Soll ich die Geliebte seh'n:
Ob dann wohl die bunten Blumen
Morgen noch am Fenster steh'n?

Auf! Hinaus durch Thor und Brücke!
Fern durch Wald und Wies' und Hag!
Nur im Wandern wird genossen
Dieser erste Frühlingstag.

Müd vom Jubel, müd vom Sehen,
Und vom Wandern reg' und warm,
Kehr' ich auf verstohlnen Wegen
Heimwärts in der Liebsten Arm.

Bring' ihr Küsse, bring' ihr Lieder,
Wie man's hört am grünen Hag:
Nur in Liedern, nur in Küssen
Endet recht ein Frühlingstag.

Wilhelm Hertz, (1835 - 1902)

Ich wandre nicht

Warum soll ich denn wandern
Mit andern gleichen Schritt?
Ich pass' nicht zu den andern
Und Liebchen geht micht mit.
Man singt in tausend Weisen
Von Bergen, Felsenhöhn:
Allein warum noch reisen?
Die Heimat ist so schön.

Ich will ja alles glauben,
Was draußen wächst und blüht,
Das Gold der süßen Trauben,
Wie's Sonnenfunken sprüht.
Allein, der Trank der Reben,
Er kommt ja auch hieher,
Wo mir mein holdes Leben
Ihn reicht, was will ich mehr?

Ich geh nicht ins Gewimmel
Der großen, weiten Welt;
Den klarsten, blausten Himmel
Zeigt Liebchens Augenzelt.
Und mehr als Frühlingswonne
Verspricht ihr Lächeln mir,
O Zarte meine Sonne!
Ich wandre nicht von hier.

Carl Christern 1840-1886

Es ist ein stetes stilles Wandern
Durch Menschen, Dinge und Gedanken.

Man geht und geht
Und merkt kaum, wie ringsum die Bilder
Sich verschieben und vorübergleiten
Und eines um das andere rückwärts fällt ...
Und plötzlich steht
Man wie in einer neuen Welt!

Fernes wird nah und Nahes fern ...
Du bleib sein Kern!

Cäsar Otto Hugo Flaischlen (1864 - 1920)

Ein Frosch im Teiche sprach zum Andern:
" – Und ob wir bis zum Pole wandern,
Nein! so melodisch und voll Seele,
Wie Du, singt keine Philomele!" –
Lusttrunken rief das Fröschlein aus:
"Wem aber dank' ich den Applaus?
Brekex! Nur deinem Unterricht.
So klingt die Menschenflöte nicht.
Ich fühl' in meinem – Deinen Werth.
Du bist allein schon ein Concert;
Die ganze Teich-Akademie
Bewundert deine Melodie." –

Nicht anders loben lächerlich
Zwey Thoren in Journalen sich.

Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829)

Auf der Reise

Das kann nicht anders werden,
Wir alle wandern ja,
Sind Gäste nur auf Erden
Und für die Reise da.

So laß das Glück denn treiben,
Das ist nun einerlei,
Wir dürfen doch nicht bleiben
Und gehn uns stumm vorbei.

Und wandern müd' und leise,
Am Schuh zerreißt das Band,
Und suchen auf der Reise
Das große Vaterland.

Ich hört' ein Lied verwehen,
Das klang und rauschte so,
Ich hab das Glück gesehen,
Weiß aber nicht mehr, wo.

Carl Busse  1872-1918

Wanderlust

Die Zeit, sie orgelt emsig weiter,
Sein Liedchen singt dir jeder Tag,
Vermischt mit Tönen, die nicht heiter,
Wo keiner was von hören mag.

Sie klingen fort. Und mit den Jahren
Wird draus ein voller Singverein.
Es ist, um aus der Haut zu fahren.
Du möchtest gern wo anders sein.

Nun gut. Du mußt ja doch verreisen.
So fülle denn den Wanderschlauch.
Vielleicht vernimmst du neue Weisen,
Und Hühneraugen kriegst du auch.

Wilhelm Busch (1832-1908)

Heimweh

Wer in die Fremde will wandern,
Der muß mit der Liebsten gehn,
Es jubeln und lassen die andern
Den Fremden alleine stehn.

Was wisset ihr, dunkele Wipfel,
Von der alten, schönen Zeit?
Ach, die Heimat hinter den Gipfeln,
Wie liegt sie von hier so weit!

Am liebsten betracht ich die Sterne,
Die schienen, wie ich ging zu ihr,
Die Nachtigall hör ich so gerne,
Sie sang vor der Liebsten Tür.

Der Morgen, das ist meine Freude!
Da steig ich in stiller Stund
Auf den höchsten Berg in die Weite,
Grüß dich, Deutschland, aus Herzensgrund!

Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff 1788-1857

Freier Tag

Weißt du, was so ein freier Tag ist -? Solch ein Tag,
Da nicht mit schriller Stimme schon am Morgen
Die Not dich weckt und Müdigkeit und Sorgen,
Daß auch die kleinste Lust sich nimmer rühren mag -
Da wanderst du hinaus in hellen Lerchenschlag
Und spürst die Seele wundersam geborgen
In Gottes reichem Feiertag...

Und abends dann, in einsamem Gemach -
Du zündest heute keine Lampe an
Und schließt die Augen, die so satt und wach
Von allem, was dir dieser Tag getan.
Du schließt die Augen und da tönt dir nach
Der liebe Gruß, den dir ein schlichter Mann,
Ein Unbekannter, im Vorbeigehn sprach.
Du atmest Erde, kühl und schollenbraun,
Und hörst ein Mädchenlachen überm Zaun,
Der unter Rosen fast zusammenbrach ...

Anton Wildgans  1881-1932

Und doch, wie traurig wäre das Wandern,
Und doch, wie öde wäre die Welt,
Wie kalt der Mond und alle Gestirne,
Wüßt ich nicht fern auf der kleinen Erde
Irgend ein heimliches Nest mir gebaut,
Ein kleines Nestchen,
Und wüßt' ich im Nestchen ein Herz nicht,
Das in Sehnen mir schlägt
Und des Wandernden denkt;
Und säßen im Nestchen
Die Vögelchen nicht
Aufsperrend die Schnäblein,
Und zwitscherten lustig
Und fragten die Mutter:
Kommt der Vater auch bald
Und bringt uns Futter?

Johann Gottfried Kinkel, (1815 - 1882)

Der Bach an den Wanderer

Sieh meine hellen,
Silbernen Wellen!
Lustig über Kies und Stein
Hüpfen sie in die Welt hinein,
Küssen das grüne Land,
Blümchen am Ufers Rand,
Rauschen sich spät und früh
Ihre fröhliche Melodie!
Also, du Menschen-Sinn,
Gib dich der Freude hin!
Lass dir die schnellen
Stunden erhellen:
So wirst du, wie ich, auf fröhlichen Wogen
Hinab zum unendlichen Meere gezogen!

Siegfried August Mahlmann  1771-1826

Der Reisebecher

Gestern fand ich, räumend eines langvergess'nen Schrankes Fächer,
Den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher.
Währenddes ich, leise singend, reinigt' ihn vom Staub der Jahre,
War's, als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare,
War's, als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken,
War's, als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken.

Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)

Wanderlust

Morgen müssen wir verreisen,
und es muß geschieden sein.
Traurig ziehn wir unserer Straßen,
lebe wohl, Herzliebchen mein!
Kommen wir zu jenem Berge,
schauen wir zurück ins Tal,
schauen uns um nach allen Seiten,
sehen die Stadt zum letzten Mal.
Wenn der Winter ist vorüber,
und der Frühling zieht ins Feld,
will ich werden wie ein Vöglein,
fliegen durch die ganze Welt.
Dahin fliegen will ich wieder,
wo's mir lieb und heimisch war.
Schätzlein, muß ich jetzt auch wandern,
kehr' ich heim doch übers Jahr.
Übers Jahr zur Zeit der Pfingsten
pflanz' ich Maien dir ans Haus,
bringe dir aus weiter Ferne
einen frischen Blumenstrauß.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Vergänglichkeit

Nun spinnen sich die Tage ein,
Nicht einer will mehr freundlich sein,
Sie müssen sich alle besinnen
Auf eine Hand voll Sonnenschein
Und gehen dürftig von hinnen,
Wie Wasser im Sande verrinnen.

Die Menschen wandern hinterdrein,
Still einzeln oder still zu zwein
Und sehen die Blätter verfliegen
In alle vier Wände hinein.
Sie möchten im Sonnenschein liegen
Und müssen sich fröstelnd schmiegen.

So war es tausend Jahr und mehr,
Mit Blindheit kommt der Herbst daher.
Gern will ihn keiner sehen,
Er macht ja alle Wege leer.
Er muß zur Seite gehen
Und muß um Mitleid flehen.

Und so geht's tausend Jahre fort.
Vergänglichkeit, du müdes Wort,
Du lösest ab die Tage;
Du duldest weder Zeit noch Ort,
Machst Wirklichkeit zur Sage,
Den Liebesrausch zur Klage.

Max Dauthendey  1867-1918

Ein Wanderer, wenn er geht, gesellt sich mit einem andern,
Wird gut tun, Schritt mt ihm zu halten unterm Wandern.
Vorwärts vergnüglicher geht es im gleichen Takt,
Als wenn entgegen stets ein Schritt dem andern hackt.

Friedrich Rückert (1788-1866)  

Wandern heißt auf eigenen Füßen gehen,
um mit eigenen Augen zu sehen,
mit eigenen Ohren zu hören.

Wilhelm Riehl (1823-1897)

Wanderfüße

Ich bedacht es oft in diesen Tagen,
Meinem flücht'gen Wandel zu entsagen
Doch was fang ich an mit meinen Füßen,
Die begehren ihre Lust zu büßen?
Von den ruhelosen Jugendtrieben
Sind mir meine Füße noch geblieben,
Schreitend mit dem Lenz und seinen Flöten,
Schreitend durch die Sommerabendröten,
Rasch vorüber den gefüllten Kufen,
Gleitend auf des Winters weißen Stufen
Über die verschneite Jahreswende,
Rastlos schreitend ohne Ziel und Ende!
Längst beschrieb die Stirne sich mit Falten,
Doch die Füße wollen nicht veralten,
Ihren Stapfen tritt auf Waldeswegen
Meiner Jugend Wanderbild entgegen,
Durch das leichte Paar, das stets entflammte,
Bin ich der zum Reiseschritt Verdammte!
Finden möcht ich ohne Sterbebette
Meinen Füßen eine Ruhestätte ...

Conrad Ferdinand Meyer  1825-1898



 



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