Kleine Erinnerungen

Deine kleine Schwester
Hat ihre offenen Haare
Wie einen lebendigen Schleier,
Wie eine duftende Hecke
Vornüberfallen lassen
Und schaut, mit solchen Augen!
Durch einen duftenden Schleier,
Durch eine dunkle Hecke ...
Wie süß ists, nur zu denken
An diese kleinen Dinge.

An allen sehnsüchtigen Zweigen
In deinem nächtigen Garten
Sind Früchte aufgegangen,
Lampions wie rote Früchte,
Und wiegen sich und leuchten
An den sehnsüchtigen Zweigen,
Darin der Nachtwind raschelt,
In deinem kleinen Garten ...

Wie süß ists, nur zu denken
An diese kleinen Dinge ...

Hugo von Hofmannsthal, (1874 - 1929)



Bauernregel

Im Sommer such ein Liebchen Dir
In Garten und Gefield!
Da sind die Tage lang genug,
Da sind die Nächte mild.

Im Winter muß der süße Bund
Schon fest geschlossen sein,
So darfst nicht lange stehn im Schnee
Bei kaltem Mondenschein.

Ludwig Uhland 1787-1862



Frühlingsnacht

Die Kirschbaumblüten im lichtdurchschwemmten Garten
Sind wie Kandelaber von Millionen Kerzen,
Die das Vollmondfeuer angesteckt. Die zarten Kissen
Grüngesprengten Rasens zwischen Krokusbeeten
Sind besteckt mit weißen Perlensäumen,
Und die kühle spiegelhelle Luft
Ist ein feiner Schleier von gewebtem Silber,
Den die Lenznacht heimlich glühend um die
Weiße warme Nacktheit ihrer Glieder hängt.

Ernst Maria Richard Stadler, (1883 - 1914)



Als dann der Frühling im Garten stand,
Das Herz ein seltsam Sehnen empfand,
Und die Blumen und Kräuter und jeder Baum
wachten auf aus dem Wintertraum,
Schneeglöckchen und Veilchen hat über Nacht
der warme Regen ans Licht gebracht,
Aus Blüten und dunkler Erde ein Duft
durchzog wie ein sanftes Rufen die Luft.

Percy Bysshe Shelley, (1792 - 1822)



Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen und vergrub sie in meinem Garten.

Als der Frühling wiederkehrte – im April – um die Erde zu heiraten,

da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen.

Khalil Gibran, (1883 - 1931)



Blumen im alten Jahre verweht,
lasse das neue reicher dir blühen!
Doch hoffst du, Freund, auf ein üppiges Beet,
so mußt du auch selbst dich im Garten bemühen.

Wolrad Eigenbrodt, (1860 - 1921)



Der alte Garten

Kaiserkron und Päonien rot,
Die müssen verzaubert sein,
Denn Vater und Mutter sind lange tot,
Was blühn sie hier so allein?

Der Springbrunn plaudert noch immerfort
Von der alten schönen Zeit,
Eine Frau sitzt eingeschlafen dort,
Ihre Locken bedecken ihr Kleid.

Sie hat eine Laute in der Hand,
Als ob sie im Schlafe spricht,
Mir ist, als hält ich sie sonst gekannt –
Still, geh vorbei und weck sie nicht!

Und wenn es dunkelt das Tal entlang,
Streift sie die Saiten sacht,
Da gibts einen wunderbaren Klang
Durch den Garten die ganze Nacht.

Joseph Freiherr von Eichendorff  1788-1857


 Willst Du einen Tag glücklich sein,
So betrinke Dich mit Wein.

Willst Du ein Jahr glücklich sein,
So baue Dir ein Haus.

Willst Du ein Leben lang glücklich sein,
So gestalte Deinen Garten.

 Chinesische Weisheit


  Häusliches Stillleben

Der Garten

In den Garten muß ich blicken,
In das frische stille Grün,
Tausend Wünsche muß ich schicken
Fernhin wo die Schwalben ziehn.

Fliegt nur mit den Morgenwinden,
Mit den Wolken flieget fort,
Eure Heimat sollt ihr finden,
Lieben Wünsche, Ziel und Ort.

Rückwärts will ja nicht mein Sehnen,
Nimmer in die Eitelkeit;
Diese Seufzer, diese Thränen
Gelten keinem Erdenleid.

Ueber Wolken, über Sterne
Aufwärts, aufwärts, himmelwärts,
Neubelebt, in sel'ger Ferne
Sink' ich an das große Herz!

Wo die Wunden nicht mehr drücken,
Wo das Heer der Wünsche schweigt,
Und zu mir mit süßen Blicken
Sich die ew'ge Liebe neigt.

Aus den Wipfeln will es steigen
Mein geliebtes Wunderbild,
Nach des Gartens grünen Zweigen
Blick' ich still und lusterfüllt.

 Max von Schenkendorf  1788-1817

 Flammende Rose,
Zierde der Erden,
Glänzender Gärten
bezaubernde Pracht;
Augen, die deine
Vortrefflichkeit sehen,
Müssen vor Anmut
erstaunend gestehen,
Daß dich ein göttlicher Finger
gemacht.

Barthold Hinrich Brockes, (1680 - 1747)

Im Garten

Hüte, hüte den Fuß und die Hände,

Eh sie berühren das ärmste Ding!

Denn du zertrittst eine häßliche Raupe

Und tötest den schönsten Schmetterling.

Storm 1817-1888



Im Garten

Wenn wir im Garten spazieren gehn,

Da gibt's zu hören gar viel und zu sehn,

Da hören wir die Hummeln brummen

Und hören die lieben Bienen summen,

Und sehen, wie sie eilig wandern

Von einer Blume zu der andern,

Und wie sie sich holen den schönsten Raub,

Den Blüthenwein und Blumenstaub.

Gott mög' euch fleißigen Bienen verleihn

Stets milde Luft und Sonnenschein

Und Blümelein von den schönsten Arten

Auf allen euren Wanderfahrten!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Geliebte, mein Garten ladet dich ein


Geliebte ,mein Garten ladet Dich ein.

Die Blumen wollen deine Schemel sein.

Mein Garten liegt wie ein uraltes Buch,

Drin wallet mit Feier der Bäume Geruch.

Rosen heiter wie Göttinnen winken,

Und Falter wie Seelen vom Himmel sinken.

Und Fische von Gold in Spiegeln stehen,

Die über die Tiefe wie Gedanken hingehen.

Von kommender Freude glänzen die Trauben,

Und Lieder geleiten uns durch die Lauben.

Und uns entgegen an des Hauses Treppe

Steht die Sonne als Priester mit festlicher Schleppe,

Die erhobenen Hände schütten den Segen.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

1798-1874



Im Garten

Schelmisches Mädchengelächter
Klang im Herzen mir nach.
Sang als weckender Wächter
Stürmische Sehnsucht wach!

Hab' mich an Liebes gedenkend
Gleich nach Rosen gebückt -
Traurig das Sträußchen nun senkend,
Da ich es freudig gepflückt.

Unnütz brach ich das beste,
Was am Stengel nur stand.
Von der Hecke die Gäste
Zogen weiter ins Land.

Weiter sind sie getrieben,
Drosselgleich wälderwärts.
Nur der Strauß ist geblieben,
Aber wo ist mein Herz?

Habt ihr es zu euch genommen,
Die ihr so hurtig entflohn?
Rosen und Küsse bekommen
Sollt ihr als Finderlohn!- -

  Georg Busse Palma 1876 - 1915)

 Der kleine Park

In diesem Garten an des Stromes Rand
Gehn sonst nur Pärchen, alltagabgewandt;
Stehn ein paar Bänke unter alten Bäumen,
Da sitzen sie. Das Wasser rauscht. Sie träumen.

Bin oft mit ihr aus Lebens Hast und Hohn
In dieses Gartens schattige Ruh' geflohn.
Zu früh hat sie mich armen Mann verlassen,
Doch müßt ihr, Pärchen, mich darum nicht hassen!

Sehnsucht ist Liebe, Liebe führt mich her.
Nach dir, du Liebste, sehn' ich mich so sehr.
Schmieg' dich recht eng an mich! Ich schließ' die Lider.
Ich fühle dich: mein Park gibt dich mir wieder.

Hugo Salus 1866-1922



 Meine Lebensart

In der ganzen Stadt ist keine
Hütte kleiner als die meine;
Für mich ist sie groß genug.
Noch viel kleiner ist mein Gärtchen,
Ich nur gehe durch sein Pförtchen;
Doch auch so ist's groß genug.

Zweimal setz' ich mich zu Tische,
Etwas Fleisch, Kohl, Grütze, Fische;
Hungrig ging ich nie zur Ruh.
Ja, im Sommer, eß' ich Beeren:
Him- und Erd- und Heidelbeeren,
Oft kommt eine Birn dazu.

Bisher hatt' ich stets zwei Kleider;
Viele Menschen haben, leider!
Eines nur, und das noch schwach.
Klagen wäre eine Sünde!
Arm ist nur der Lahme, Blinde,
Und die Waise ohne Dach.

Elisabeth Kulmann, (1808 - 1825)



Brennende Liebe

In meinem Garten lachet
Manch Blümlein blau und rot,
Vor allem aber machet
Die brennende Liebe mir Not.

Brauch ihrer nicht zu warten,
Sie blühet Tag und Nacht,
Wer hat mir nur zum Garten
Die brennende Liebe gebracht?

Wohin ich mich nur wende,
Blüht auch die holde Blum',
Es blühet sonder Ende
Die brennende Liebe ringsum.

Die bösen Nachbarinnen,
sie bleiben neidvoll stehn.
sie flüstern: Ach, da drinnen
Blüht brennende Liebe so schön!

Julius Mosen 1803-1867



 Kommt durch das Fenster der Rosengeruch

Als zärtlich lieblicher Besuch
Kommt durch das Fenster der Rosengeruch,
Geht mitten unter die Tagessorgen
Und zeigt auf die wirkenden Gärten im Morgen.
Mir ruht die Arbeit kurz still in der Hand.
Auch Sorg' lebt mit Rosen eng Wand an Wand,
Denk' ich, und fühle mein Blut versüßt,
Als ob mich im Geist ein Geist warm küßt,
Der mich von meiner Liebsten grüßt.

Max Dauthendey 1867-1918



Die Rosen öffnen ihre runden Schalen

Die Rosen öffnen ihre runden Schalen
Und leuchten weithin mit den roten Strahlen,
Sind wie gewölbte Muscheln in dem Gartenmeer,
Steh'n wie die Urnen aufgeglühter Stunden unterm Laub umher.

Die Dornen, die sich eng an Rosen halten,
Sind wie die Hände, die sich um das Liebste falten.
Und wachen eifersüchtig und entschlossen
Und haben Zudringliche fortgestoßen.
Manch Tropfen Blut ist um die röteste geflossen.

Max Dauthendey 1867-1918



Blumen im Garten

Blumen im Garten!
Ich red' euch an mit Seufzern, statt mit Worten;
Ihr könnt von mir nicht andren Gruß erwarten.

Blumen im Garten!
Antwortet mir mit Düften, statt mit Worten;
Ich darf nicht andre Gegenred' erwarten.

Blumen im Garten!
Ihr zeigt ein einzig Bild mir aller Orten,
Und seid nur scheinbar von verschiednen Arten.

Blüte vom Veilchen!
Mich athmet an aus deinem Duft ein Seelchen;
Daß es hervorkomm', harr ich schon ein Weilchen.

Blühnde Resede!
In dem von Bienen dir gesummten Liede
Vernehm' ich meiner Kinder Honigrede.

Blüte der Winde!
Der Tag ist an der Mitt' und du am Ende,
O Zarte, wie verblühest du geschwinde!

Blühende Mohne!
Ein Blinder mäht im Garten Blumenhäupter,
Er hat getroffen meine Freudenkrone.

Blühnde Hortense!
Blüh nicht so stolz! es wird zur schwachen Binse
Der stärkste Stamm vor dieser scharfen Sense.

Blühnde Narzisse!
Wie blickest du mich an mit großem Auge,
Als fragtest du, was ich im Garten misse!

Lilie vom Schwertchen!
Du hast dich auch nicht widersetzt dem Diebe,
Der Nachts die schönsten Blumen stahl vom Gärtchen.

Blühndes Tazettchen!
Zu blühn sind dir verliehn kaum soviel Tage,
Als deinem Blütensterne Strahlenblättchen.

Tulpen, Tulpanen!
Wenn ihr im Sonnschein wanket, gleicht ihr meinen
Zwei Närrchen, den buntfarbig angethanen.

Blühnde Päone!
Ein Taubenpärchen sitzt in dir, ich meine,
Es ist mein Töchterchen mit meinem Sohne.

Blüte der Nelke!
Das unterscheidet dich vom Blumenvolke;
Sie duften frisch, du duftest noch als welke.

Nelkchen mit Federn!
Wenn Lüftchen euern Federhut entfiedern,
So denkt: im Sturme zittern selbst die Zedern.

Blüten vom Rasen!
Lichtchen, die meine Wichtchen einst ausbliesen!
Nun sind sie wie die Lichtchen ausgeblasen.

Hälmchen und Gräschen!
Wer rupft euch nun? und wer zertritt das Wieschen?
Zwei Häschen spielten Rupfe Rupfe Räschen.

Gretchen im Busche!
Versteck dich besser nur, daß dich nicht hasche
Der schwarze Mann, und dir vorüber husche!

Syringendoldchen!
Du wendest immer noch dein schlankes Hälschen
Zum Fenster dort, als säh' heraus mein Holdchen.

Blühndes Maßliebchen!
Noch mess' ich in Gedanken hier das Leibchen,
Wie sonst an meinem Leib es maß das Liebchen.

Blüthe der Klitsche!
Dich an der Hand zerschlagend, daß es klatsche,
Denk' ich, daß ich im Scherz mein Ernstchen pritsche.

Blühende Radel!
Dir dank' ichs, daß du einst mein liebes Mädchen
Ins Näschen stachst mit deiner Busennadel.

Blühende Wicke!
Wenn ich dich pflück' und an den Busen stecke,
Begreifst du wohl, wen ich in dir erblicke!

Blühnde Granate!
Ein Hütchen trug von solcher Purpurröthe
Mein Bübchen, ein Geschenk von seiner Pathe.

Farb'ge Ranunkeln!
Ein Schleier quillt aus meinen Augenwinkeln,
Der will dieß Jahr mir euern Glanz verdunkeln.

O Immortellchen!
Zwei zarte Seelchen seh' ich euch umflattern,
Es ist mein Schmetterling und mein Libellchen.

Am Rosmarine
Zählt' ich die blauen Blüten, da war keine,
Die nicht ein blasses Todeslächeln schiene.

O Spikenarden!
Verwandelt sind mir eure Stengel worden
In lauter rost'ge Todeshellebarden.

O Balsaminen!
Wenn eure Kapseln springen, gleicht ihr meinen
Zwei Kindchen, so zersprang das Herzchen ihnen.

O Balsaminen!
Selbst will ich meinen Wunden Balsam weinen,
Ich suche keinen andern Balsam ihnen.

Blühnde Agleie!
Dich schrumpfet rauhe Luft und welket laue;
O daß der Mai dir milden Maitag leihe!

Blüte der Primel!
Dein Aug', in dem sich nächtlich Thränen sammeln,
Blickt bald zum Boden, bald empor zum Himmel.

Stock der Aurikeln!
Du trugst an einem Stiel so viele Blütchen,
Ein Pärchen starb, nicht konnt' es sich entwickeln.

O Blütenglocke!
Es schmeicheln dir die hellsten Sonnenblicke,
Entfalte dich zur Freude deinem Stocke!

O blühnde Glocke!
Dich traf der Neid mit einem bösen Blicke,
Du welkest hin zur Trauer deinem Stocke!

Verblühte Glocke!
O daß der Himmel einen Regen schicke!
Nicht dir zum Leben, sondern deinem Stocke!

Zwiebeln und Lauche!
Ihr seid verbannt aus meinem Gartenreiche,
Weil ich zum Weinen keinen Anreiz brauche.

Pflanzen in Beeten!
Oft klagt' ich daß die Kinder euch zertraten,
Nun klag' ich daß sie nicht mehr euch zertreten.

Schoten der Böhnchen!
Großvater muß euch heur allein enthülsen,
Vergangnen Herbst half ihm das Lieblingssöhnchen.

Türkischer Weizen!
Reif sicher! Niemand wird dein Kölbchen ritzen,
Du wirst dieß Jahr nicht meine Kälbchen reizen.

Brombeern und Himbeern!
Sie aßen euch für Maulbeern und für Weinbeern,
Ihr herben, und verzogen nicht die Wimpern.

Erdbeer und Brossel!
Nun schlingen dich nicht Drossel mehr und Amsel,
Des Todes Schlinge liegt an ihrer Drossel.

Blüte der Distel!
Wer fieng dir weg den Distelfink und Zeisig?
Die Ruthe mit dem Vogelleim der Mistel.

Wachse, Kukummer!
Soviel sind Kern' in deiner Herzenskammer,
Soviel in meiner Körner sind von Kummer.

Blüh, Kamm vom Kümmel!
Mein Kummer liebt wortspielendes Gestammel,
Wie zarter Kinderstimmchen Wortgestümmel.

Grünende Kressen!
Verschlungne Züge zweier Namen sä' ich,
Als ob ich fürchtete sie zu vergessen.

Grünendes Wieschen!
Großmutter heißt Luis', es heißt die Mutter
Luis', es hieß ihr Töchterchen Luischen.

Grünendes Erlchen!
Was fehlt dem August, Leo, Heinrich, Karlchen?
Ihr Ernstchen und ihr Schwesterchen, das Perlchen.

Lauschende Pappeln!
Das Eine Mädchen seht ihr nicht mehr trippeln,
Und einen Jungen wen'ger hört ihr trappeln.

Blühnde Akazie!
So zärtlich werden nicht die vier mehr spielen;
Ein Amor fehlt dem Spiel und eine Grazie.

Blühe, mein Neußes!
Es weint der Bach am Garten hin des Hauses,
Die Turtel klagt im Duft des Waldgesträußes.

O Turteltaube!
Du machst das Wasser, eh du trinkest, trübe,
Und ruhst auf keinem Ast mit grünem Laube.

O Vogelbeerchen!
Zum Spielwerk trag' ich euch nicht mehr nach Hause,
Seit weggeflogen ist mein Vogelpärchen.

Röthelnde Kirschchen!
Ihr werdet auch dies Jahr gegessen werden,
Wenn auch nach euch nicht springt empor mein Hirschchen.

Blüh', Amorellchen!
Im Bettchen schläft ein goldnes Amorettchen,
Hat ein Goldammerchen zum Schlafgesellchen.

Blüte der Pflaume!
Fall' ab und werde keine Frucht! die Blume
Fiel ab, die ich wollt' auferziehn zum Baume.

O Stadelbirne!
Du fällst gewiß vom Baum nun nicht so gerne;
Sonst las dich auf mein Bub und meine Dirne.

O Stadelbirnchen!
Du triffst nicht mehr mit deinem harten Kernchen
Sein weiches Hälschen und ihr zartes Stirnchen.

Stein'ge Kornellchen!
Ich nenn' euch lieber Ziserchen, denn solchen
Spielnamen gaben euch zwei Spielgesellchen.

Blüh', Seidenpflänzchen!
Mein Seidenhäschen ist gerupft vom Iltiß,
In Dohnen ist gehupft mein Seidenschwänzchen.

Johannisträubchen!
Johanniswürmchen ist verglimmt, geworfen
Sind ins Johannisfeuer dürre Läubchen.

Weine, Weinrebe!
Der Winzer stutzet dir die jüngsten Triebe,
Damit er Anlaß dir zum Weinen gebe.

Weinrebenlaube!
Die herben Frühlingsthränen deiner Liebe
Versüßt der Herbst zur beerenreichen Traube.

Blüte der Quitte!
Du trägst die Früchte nur für's Krankenbette;
O trag mir keine Früchte mehr, ich bitte.

Blüten der Mandeln!
Geht, leget euch aufs Grab als Rosawindeln,
Um es in eine Prunkwieg' umzuwandeln.

Blühnde Liane!
Ans Herz gewachsen deinem Stamm! er blutet,
Wie du wirst losgerissen vom Orkane.

Baum vieler Äste!
Bist unversehrt an Wurzeln und am Baste,
Doch trauerst du, als fehle dir das Beste.

Baum vieler Äste!
Als ob auf dir der Druck des Himmels laste,
So senkst du deine grünen Laubpaläste.

Baum vieler Äste!
Ein Vogelpärchen war bei dir zu Gaste,
Das missen alle stummen Sommergäste.

Baum vieler Äste!
Dich traf der Frost doch nur an einem Aste;
Wie trauerst du nun mit dem ganzen Reste?

Baum vieler Äste!
Es traf die jüngsten Blütentrieb' am Aste;
Womit sollst du nun blühn beim Frühlingsfeste?

Bäume der Wälder!
Ihr alle werdet, lichte Frühlingsbilder,
Des Winters Brennstoff später oder bälder.

Blumen im Thale!
Ihr habt bald Sonnenschein bald Mondenschimmer,
Doch immer Thränenthau in eurer Schale.

Blühender Ginster!
Vom Berg herüber glänztest du ins Fenster
Mir sonst um Pfingsten, heuer bleibst du finster.

Blüh', goldner Regen!
Von Kindern war um mich ein goldner Reigen,
Daß Stern' am Himmel keinen goldner regen.

O Weimuthskiefer!
Ich kenne nicht den Weimuth, nur den Wermuth,
O Wermuthskiefer, Wehmuths-Schwermuthskiefer!

Grünende Lerche!
In deinem Schatten wach' ich früh und horche,
Ob nicht die Schläfer weckt die Morgenlerche.

Zweige der Fichten!
Ihr schmücktet mir noch einmal zu Weihnachten
Das Kinderfest, um dann es zu vernichten.

Eiche mit Eicheln!
Ans Kettchen wollt' ich ein Eichkätzchen kaufen,
Weil sie nicht mehr das Kätzchen mochte streicheln.

Galläpfelgallen!
Ihr wachst an jedem Blatt, um zu vergällen
Dies Jahr das Gellen aller Nachtigallen.

O Birkenreiser!
Als Birkenruthen saustet ihr gestrenger,
Jetzt säuselt ihr als Trauerbirken leiser.

Hangende Weide!
Die Betzchen, die du trugst, sind abgefallen;
Mein Betzchen geht nicht mehr auf seiner Weide.

Wilder Wachholder!
Du wächst im Wald im Winter wie im Sommer;
Mein Holder schläft, ich ruf umsonst: Wach Holder!

Blühender Flieder!
Goldkäferchen betäubt in deinen Düften
Ist eingeschlafen, wann erwacht es wieder?

Laube der Buchen!
Ich schlief in dir, nun muß ich beim Erwachen
Umsonst nach den im Traum gesehnen suchen.

O Traumgegaukel!
Mir wars als schaukelten sie dort im Winkel;
Hinseh' ich, und es regt sich noch die Schaukel.

O Schaukelwiege!
Ihr Ärmchen schlang sie fest um dich, die zage,
Die fürchtete, daß sie im Schwung entfliege.

O Rosenhecken!
Durch euch trug ich die Ros' auf meinem Nacken,
Ihr tragt nun ros'ges Leid an allen Ecken.

Rose du rothe!
Tauch erst dein Wangenroth in Morgenröthe,
Dann zeige mir lebendig meine Todte!

Rose du bleiche!
Wenn jeder Anhauch dir von Röth' erbliche,
Dann säh' ich ganz in dir die schöne Leiche.

Rose du gelbe!
Du warest Neid, als meine rothe blühte;
Sie ist verblüht, und du bist noch dieselbe.

O Dornenrose!
So schmerzlich hat mich nie ein Dorn verwundet,
Als mich verwundete die Dornenlose.

O Zuckerröschen!
Ein Käfer nascht in deinem Zuckerhäuschen,
Wie einst mein Mäuschen nascht' im Zuckerdöschen.

O Zuckerröschen!
Mit Gold am Beinchen kommt aus dir ein Bienchen,
Stolz wie ein Bübchen in den ersten Höschen.

O Zuckerrose!
Dich traf ein Honigthau, kein Honigsauger
Saugt deinen Zucker mehr, o Zuckerlose!

O Centifolie!
Das Bild im Spiegel, du bists und die Lilie,
Die Blumen sind des Spiegelbildes Folie.

O blühnde Lilie!
Du führst den Scepter, und die Centifolie
Die Kron', ihr führt die Herrschaft der Familie.

Ein Trost der Augen
Hat mir geblüht, der mir nun ist entzogen,
O Augentrost, wozu kannst du mir taugen?

Den Trost der Augen,
Den ich aus lieben Augen einst gesogen,
O Augentrost, kann ich aus dir nicht saugen.

Marienschühlein!
Mein Mädchen flog wie ein Marienfädchen,
Es flog davon wie ein Marienkühlein.

O Tausendschönchen!
Ein Söhnchen ist, ein tausendfalt beweintes,
Mir schöner tausendmal denn tausend Söhnchen.

Blüte der Aster!
Im Himmelsgarten tragen zwei Geschwister
Sternblumen auf der Hand von Alabaster.

O Nachtviole!
Schweig nur am Tag, und deinen Duft verhehle!
Nachts komm' ich daß ich deinen Seufzer hole.

Jelängjelieber!
Wie ist mir nun je länger desto leider,
Was leider! desto kürzer war je lieber.

Blüh' Oleander!
Stets miteinander gingen meine Kinder,
Sie gingen auch zu Grabe miteinander.

Blüh' Oleander!
Wie sonst selbander kamen meine Kinder,
So kommen sie mir auch im Traum selbander.

Blume der Leber,
Hepatika! ich hätte nun nichts lieber,
Als hätt' ich hier im Garten ihre Gräber.

O Passione!
Du solltest schatten ihrem Leichensteine
Mit zartem Bild von Nagel, Kreuz und Krone.

O Gartenflore!
Wie wurdest du zum Trauerflor der Bahre,
Da ich dich sonst mir kohr zum Freudenchore!

Blühendes Sinngrün!
Laß mich im Grünen sinnend ruhn; was außen
Den Sinnen welkt, im Sinne bleibt es ingrün.

Blühender Schneeball!
Du streutest auf mein Kind einst linde Flocken,
Das jetzt muß schlafen unter Sturm und Schneefall.

Vergißmeinnichtchen!
Vergiß mir nicht, in jedem Jahr zu tragen
Ein Liebesblickchen meiner beiden Lichtchen.

Vergißmeinnichtchen!
Vergiß mir nicht, dem Wiesenbach zu sagen:
Nie spiegeln sie in dir mehr ihr Gesichtchen.

O Trikolore!


Dreifarbig nicht, dreihundertfarbig bist du,
Nicht dreie sind ganz gleich im ganzen Chore.

O Trikolore!
Dich schmücken wechselnd alle lichten Götter,
Selene, Phöbos, Iris und Aurore.

O Trikolore!
Du spielst in Farbentönen, wie die Leier
Der Lieb' im Frühlingsregenbogenflore.

Wildblühnde Raute!
Ich reutete dich aus, wenn mich nicht reute
Ein grünes Blatt, auf das der Frühling thaute.

Wuchernde Quecke!
Die Raupe nagt am schönsten Rosenstocke,
Dir aber schadet weder Floh noch Schnecke.

Blühende Tremse!
Im Garten ist ein ewiges Gesumse
Von Flieg' und Mücke, Hummel, Wesp' und Bremse.

Blühnde Kamille!
Laut scherzen frohe Lüft' an jeder Stelle
Mit frohen Blumen, wir nur schweigen stille.

Stengel vom Lacke!
Du welkst; hat dich der Maulwurf untergraben?
Geschürft des Gärtners unvorsicht'ge Hacke?

Indische Feige!
Mir sproßt und treibt beständig Klag' aus Klage,
Wie dir ein neuer Zweig aus jedem Zweige.

Kraut der Zipresse!
Dich zieht ein Wurm hinein am zarten Fuße;
Pflanzt' ich dich dazu, daß der Wurm dich fresse?

Blüte der Blüten!
Ich breche dich, o schönste, vor den Gluten
Des Sommers wird dich Frühlingstod behüten.

Der Blumen Blume!
Man pflückt zum Sonntagsstrauß die schönst' im Raume,
Wenn man geschmückt will gehn zum Heiligthume.

O Königskerze!
Verblühend unten, blühst du in die Höhe;
Zum Himmel blüht die Lieb' aus Todesschmerze.

Blumen in Scherben!
Bestimmt fürs Winterzimmer, um in Farben
Zu stehn, wenn andre sich im Frost entfärben.

Blumen in Scherben!
Beglückter sind, die früh zum Himmel starben,
Als die auf Erden bleiben um zu sterben.

Blüte und Blume!
Im Raume müsset ihr verblühn, im Reime
Blüht ihr beständig zu der Liebe Ruhme.

Blume und Blüte!
Euch hab' ich anvertraut mein Liebstes heute,
Behütet mirs, wie euch der Lenz behüte!

Blüten und Ranken!
Ihr dienet gern zu Liebesangedenken,
O ihr der Liebe lieblichste Gedanken.

Blühende Fluren!
So oft auf euch der Frühling geht mit Floren,
Erblick' ich meines Kinderpaares Spuren.

Blühende Triften!
Euch haben zwei, die noch nicht konnten schreiben,
Für mich beschrieben ganz mit Liebesschriften.

Blühende Auen!
Wo sie uns lächeln, wird die Sonne scheinen,
Und wo wir um sie weinen, wird es thauen.

Blühende Liebe!
Dies Blumenhundert blüht aus deinem Staube,
Und soll verblühn, daß es wie du zerstiebe.

Blühendes Leiden!
Und wenn der Liebe Lust verwelkt hienieden,
So ist das Leid der Liebe zu beneiden.

Blühendes Hundert!
Weit übers Ziel bist du mit mir gewandert;
Der kennt nicht Leid noch Liebe, wen das wundert.

Friedrich Rückert, 1788-1866



Süß duftet im Garten der bleiche Jasmin,
Leuchtkäfer umschwirren das lockende Grün:
„Komm, wandle mit mir durch die schweigende Nacht
und löscht die Glut, die du lächeln entfacht.

Nicht länger ertrag ich den tändelnden Scherz,
mit dem du mich marterst, o kommt an mein Herz,
ein Gott hat mir Schönheit und Jugend verliehn –“
schwer duftet im Garten der bleiche Jasmin.

Er wandelt mit ihr durch die schweigende Nacht,
zwei Arme umschlingen die Bebende sacht,
sie küsst ihn erschauernd und schmiegt sich an ihn –
schwül duftet, betäubend, der bleiche Jasmin . . .

Leon Vandersee( Datum Geburt unbekannt)
(verstorben 1907)



Du mußt dein Herz zum Frühlingsgarten weihn,
Pflanz liebe Blumen edler Art hinein:
Geduld und Hoffnung, Lieb´ und Heiterkeit
Und auch das Blümelein Zufriedenheit!

Dann magst du deinen Garten Gott vertraun,
Auf seine Lieb´ und seine Güte baun;
Doch mußt du auch das Deine freudig tun:
Gott gab das Leben nicht, um auszuruhn.

Und wenn dir dann die Blumen lieblich blühn,
Wirst du vergessen alle Sorg´ und Mühn,
Und wie sie lächeln dir, so lächelst du
Der ganzen Gotteswelt auch freundlich zu.

0 pfleg den Garten! halt ihn immer rein!
Laß nie des Unmuts Unkraut drin gedeihn!
Dann wird, wenn sich auch stellt der Winter ein,
Dein Herz auch noch ein Frühlingsgarten sein.

Hoffmann von Fallersleben  17891874



Mittagszauber

Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,,
Der Rasen glänzt, die Wipfel schatten breit;
Von oben sieht, getaucht in Sonnenschein
Und leuchtend Blau, der alte Dom herein.

Am Birnbaum sitzt mein Töchterchen im Gras;
Die Märchen liest sie, die als Kind ich las;
Ihr Antlitz glüht, es ziehn durch ihre Sinn
Schneewittchen, Däumling, Schlangenkönigin.

Kein Laut von außen stört; `s ist Feiertag —
Nur dann und wann vom Thurm ein Glockenschlag!
Nur dann und wann der mattgedämpfte Schall
Im hohen Gras von eines Apfels Fall!

Da kommt auf mich ein Dämmern wunderbar;
Gleichwie im Traum verschmilzt was ist und war;
Die Seele löst sich und verliert sich weit
In`s Märchenreich der eignen Kinderzeit.

Franz Emanuel August Geibel, 1815-1884

 

 

 



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