Abseits

Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.

Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.

Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.

Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit. 

Theodor Storm, (1817 - 1888)

Im Frühling

Morgenduft!
Frühlingsluft!
Glühend Leben,
Mutige Lust,
Freudiges Streben
In freudiger Brust!
Hinauf, hinauf
Auf der lichten Bahn
Dem Frühling entgegen!
Auf allen Fluren
Der Liebe Spuren,
Der Liebe Segen.
Wälderwärts
Zieht mich mein Herz,
Begaus, Bergein,
Frei in die Welt hinein,
Durch des Tages Glut,
Durch nächtlich Grausen.
Jugendmut
Will nicht weilen und hausen.
Wie alle Kräfte gewaltig sich regen,
Mit heißer Sehnsucht spät und früh,
Dem ewigen Morgen der Liebe entgegen,
Entgegen dem Frühling der Phantasie!

Karl Theodor Körner, (1791 - 1813)

Neuer Frühling

Neuer Frühling ist gekommen,
Neues Laub und Sonnenschein,
Jedes Ohr hat ihn vernommen,
Jedes Auge saugt ihn ein.
Und das ist ein Blühn und Sprießen,
Waldesduften, Quellenfließen,
Und die Brust wird wieder weit,
Frühling, Frühling, goldne Zeit!

Von dem Felsen in die Weite
Fliege hin, mein Frühlingssang,
Ueber Ströme und Gebreite,
Durch Gebirg und Blüthenhang!
Darf nicht wandern, muß ja bleiben
Ob's mich ziehn auch will und treiben,
Doch so weit mein Himmel blau't
Singen, singen will ich laut!

Wie die Welt auch wechselnd gehe,
Wie das Schicksal auch mich treibt,
Komme Glück und komme Wehe,
Wenn nur Eines mir verbleibt:
Fester Muth der freien Seele
Und die freud'ge Liederkehle,
Lebenslust und Lebensdrang,
Goldnes Leben im Gesang! 

Otto Roquette, (1824 - 1896 )

Frühlingsruf

Am Bienenhause liegt der Strahl
Der Sonn’ und weckt die Bienen;
Zur Arbeit möchten sie ins Tal,
Allein, was wehrt es ihnen?
Ach, das Tal noch kahl zumal
Liegt im winterlichen Bann,
Ohne Blum’ und Blüten.

Und auch den Finken regt das Licht,
Das helle, hell zu schlagen;
Warum doch schicket er sich nicht
Gepaart zu Nest zu tragen?
Weil noch licht, weil dicht noch nicht
Laub und Blatt der Baum gewann,
um ein Nest zu hüten.

In diesen Lüften webest du
Und schwebst auf diesen Strahlen;
Was hebest du die Todesruh’
Nicht auch von diesen Talen?
Frühling, tu dazu im Nu,
Daß der Kunstfleiß sammeln kann,
Und die Liebe brüten!

Friedrich Rückert 1788-1866

Ein Liedlein will ich singen von Honigvögelein,

Die hin und her sich schwingen, wo bunte Blumen sein.
Das Völklein in dem Grünen; es schmauset auf der Weid;
Ich singe von den Bienen auf dieser freien Heid.

Sie ziehen mit der Trummel, der Stachel weist das Schwert;
Ihr Brummel und Gehummel hat niemand noch gefährdt.
Sie nehmen sonder Morden den zarten Blumenraub,
Und ihre Beut ist worden der Baum und Blüten Laub.

Der Winter hält gefangen das zarte Jungfernvolk,
Bis daß der Schnee vergangen, Frost, Schauer, Nebelwolk,
Und wann die Weste stimmen nach linder Lenzen Art,
So machen sich die Immen auf ihre Blütenfahrt.

Wie sie die Wachsburg bauen aus guldnem Pergament,
Kann niemand nicht beschauen. Ja keines Künstlers Händ
Hat man so sehr bewundert, die Zimmerchen so gleich,
Sechseckig ist gesondert das Honigkönigreich.

Man sieht sie friedlich leben ohn Eigennutz und Streit,
In steter Mühe weben zu Lenz und Winterzeit,
Sie pflegen einzutragen der Blumen Saft und Tau
Und führen mit behagen gesamt den Zuckerbau.

Achim von Arnim und Clemens Brentano 1811-1831

Wenn immer sie mich fragen,
Ob ich ein Freund sei der Natur,
Was soll ich ihnen nur
Dann sagen?

Ich kann eine Bohrmaschine,
Einen Hosenträger oder ein Kind
So lieben wie eine Biene
Oder wie Blumen oder Wind.

Ein Sofa ist entstanden,
So wie ein Flussbett entstand.
Wo immer Schiffe landen,
Finden sie immer nur Land.

Es mag ein holder Schauer
Nach einem Erlebnis in mir sein.
Ich streichle eine Mauer
Des Postamts. Glatte Mauer aus Stein.

Und keiner von den Steinen
Nickt mir zurück.
Und manche Leute weinen
Vor Glück.

Ringelnatz 1883-1934

Du feuchter Frühlingsabend

Du feuchter Frühlingsabend,
wie hab’ ich dich so gern!
Der Himmel wolkenverhangen,
nur hie und da ein Stern.

Ein leiser Liebesodem
hauchet so lau die Luft,
es steigt aus allen Talen
ein warmer Frühlingsduft.

Ich möcht’ ein Lied ersinnen,
das diesem Abend gleich,
und kann den Klang nicht finden,
so dunkel, mild und weich.

Emanuel Geibel (1815-1884) 

Leise zieht durch mein Gemüt
liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
kling hinaus ins Weite.

Kling hinaus bis an das Haus,
wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
sag, ich lass sie grüßen.

Heinrich Heine 1797-1856

Weil’s Frühling ist, Frau Dauthendey

Die Schmetterlinge saßen gut
Frau Dauthendey am Frühlingshut,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."

Maikäfer saßen mehr abwärts
Hinterm Korsett an ihrem Herz,
Und jeder sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."

Ihr fielen Blumen in den Schoß,
Es blühte dort bald klein und groß,
Und jede sprach: "Ich bin so frei,
Weil's Frühling ist, Frau Dauthendey."

Doch sie schickt Schmetterlinge fort,
Und bricht selbst Maikäfern das Wort,
Spricht: "Blüten seid mir einerlei,
Im Frühling braucht mich Dauthendey.

Max Dauthendey 1867-1918

Frühlingslied

Der Frühling hat sich eingestellt,
wohl an, wer will ihn seh´n?
Der muss mit mir ins freie Feld,
ins grüne Feld nun gehen.

Er hielt im Walde sich versteckt,
daß Niemand ihn mehr sah;
ein Vöglein hat ihn aufgeweckt:
jetzt ist er wieder da.

Jetzt ist der Frühling wieder da;
ihm folgt, wohin er zieht,
nur lauter Freude fern und nah,
und lauter Spiel und Lied.

Und Allen hat er Groß und Klein,
was Schönes mitgebracht und
sollt´s auch nur ein Sträußchen sein:
er hat an uns gedacht.

Drum frisch hinaus ins freie Feld,
ins grüne Feld hinaus!
Der Frühling hat sich eingestellt;
wer bliebe da zu Haus?

Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)

 

 


 



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