Waldandacht

Frühmorgens wenn die Hähne kräh'n,
Eh' noch der Wachtel Ruf erschallt,
Eh' wärmer all' die Lüfte weh'n,
Vom Jagdhornruf das Echo hallt,
Dann gehet leise, nach seiner Weise,
Der liebe Herrgott durch den Wald.

Die Quelle, die ihn kommen hört,
Hält ihr Gemurmel auf sogleich,
Auf daß sie nicht die Andacht stört,
So Groß und Klein im Waldbereich,
Die Bäume denken; »Nun laßt uns senken
Vor'm lieben Herrgott das Gezweig!«

Die Blümlein, wenn sie aufgewacht,
Sie ahnen auch den Herrn alsbald,
Und schütteln rasch den Schlaf der Nacht
Sich aus den Augen mit Gewalt
Und flüstern leise, ringsum im Kreise:
»Der liebe Gott geht durch den Wald!«

Lebrecht Dreves, (1816 - 1870)

Waldfrevel

Ein hübsches Pärchen ging einmal
Tief in des Waldes Gründe.
Sie pflückte Beeren ohne Zahl,
Er schnitt was in die Rinde.

Der pflichtgetreue Förster sieht's.
Was sind das für Geschichten?
Er zieht sein Buch, er nimmt Notiz
Und wird den Fall berichten.

Wilhelm Busch 1832 - 1908


Rätsel

Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm,
Es hat von lauter Purpur ein Mänt'lein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald allein
Mit dem purpurroten Mäntelein?

Das Männlein steht im Walde auf einem Bein
Und hat auf seinem Haupte schwarz Käpplein klein,
Sagt, wer mag das Männlein sein,
Das da steht im Wald allein
Mit dem kleinen, schwarzen Käppelein ?

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)

Du schöner Wald!

Du schöner Wald, nun laß dich grüßen!
Sternblum' und Anemone blühn,
Es blau'n die Veilchen dir zu Füßen,
Und Primeln leuchten aus dem Grün;
Und die in deinen Zweigen wohnen,
Die kleinen Sänger allzumal,
Sie schmettern aus den dunklen Kronen
Längst ihre Lieder froh zu Tal.

Am Morgen, wenn verglüh'n die Sterne,
O, wie so gern flücht' ich zu dir!
Der Welt und ihrem Treiben ferne,
Wie labt sich meine Seele hier!
Wo ich am liebsten Andacht halte
Und wieder fromm, wie einst als Kind,
Im Glauben meine Hände falte,
Es ist, wo deine Hallen sind.

Wie hat, wohin den Blick ich wende.
Dich Gottes Huld so reich bedacht!
Wo schufen jemals Menschenhände
Ihm einen Dom von solcher Pracht?
Und was im Sonnenschein, im Wetter
Durch seine Kuppeln rauschend geht,
Es ist das Lied der grünen Blätter
Von deines Schöpfers Majestät!

Johann Meyer  (1829 - 1904)

Vorbei

Das ist der alte Baum nicht mehr,
Der damals hier gestanden,
Auf dem ich gesessen im Blütenmeer
Über den sonnigen Landen.

Das ist der Wald nicht mehr, der sacht
Vom Berge rauschte nieder,
Wenn ich vom Liebchen ritt bei Nacht,
Das Herz voll neuer Lieder.

Das ist nicht mehr das tiefe Tal
Mit den grasenden Rehen,
In das wir Nachts viel tausendmal
Zusammen hinausgesehen. –

Es ist der Baum noch, Tal und Wald,
Die Welt ist jung geblieben,
Du aber wurdest seitdem alt,
Vorbei ist das schöne Lieben.

Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857)

Nur eine Stunde im grünen Wald
Nur eine Stunde von Menschen fern,
Nur eine einzige Stunde!
Statt der tönenden Worte des Waldes Schweigen,
Statt des wirbelnden Tanzes der Elfen Reigen,
Statt der leuchtenden Kerzen den Abendstern,
Nur eine Stunde von Menschen fern!

Nur eine Stunde im grünen Wald,
Nur eine einzige Stunde!
Auf dem schwellenden Rasen umhaucht von Düften,
Gekühlt von den reinen balsamischen Lüften,
Wo von ferne leise das Echo schallt,
Nur eine Stunde im grünen Wald!

Nur eine Stunde im grünen Wald,
Nur eine einzige Stunde!
Wo die Halme und Blumen sich flüsternd neigen,
Wo die Vögel sich wiegen auf schwankenden Zweigen,
Wo die Quelle rauscht aus dem Felsenspalt,
Nur eine Stunde im grünen Wald!

Auguste Kurs (1815 - 1892)
 
 
Der Wald ist ein besonderes Wesen,
von unbeschränkter Güte und Zuneigung,
das keine Forderungen stellt
und großzügig die Erzeugnisse
seines Lebenswerks weitergibt;
allen Geschöpfen bietet er Schutz
und spendet Schatten selbst dem Holzfäller,
der ihn zerstört.

Buddha 563 v.Ch 483 vCh

 
 
Stille Kameraden

Sie stehen still, die Häupter stolz erhoben.
Aus einem Kern entkeimten sie der Erde Schoß.
Sie wuchsen langsam, wurden mächtig, stark und groß
und strebten stets zum Licht empor, nach oben.
Sie überlebten Menschen und die Zeiten.
Berichten stumm aus den Vergangenheiten,
erzählen Märchen uns auf Waldes Pfaden,
die Bäume, diese stillen Kameraden.

In ihnen lebt ein ganz geheimes Schweigen,
und wer die Bäume liebt, der wird es wohl verstehn.
Man hört die Zwerge kichern, flüstern mit den Feen
und den Gesang der Englein in den Zweigen.
Die Bäume sind verwurzelt mit den Tagen
der Väter und der Heldensagen.
Die allerschönsten Lieder und Balladen
erdichten uns die stillen Kameraden.

Es ist ein Wunder, Bäume anzusehen
in ihrer Größe, Stärke und Beständigkeit.
Die rauhen Stämme stehen fest zu jeder Zeit,
wenn auch die Äste krachen und die Stürme wehen.
Sie streben zu der Sonne, zu den Sternen.
Wir kleinen Menschenkinder sollten lernen,
des Lebens Bürde stolz auf uns zu laden
wie diese starken, stillen Kameraden.

Fred Endrikat 1890-1942

 
 
Wenn in Wäldern Baum an Bäumen,
Bruder sich mit Bruder nähret,
Sei das Wandern, sei das Träumen
Unverwehrt und ungestöret;
Doch, wo einzelne Gesellen
Zierlich miteinander streben,
Sich zum schönen Ganzen stellen,
Das ist Freude, das ist Leben.

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

 
Im Walde

Geh' ich einsam durch den Wald,
Durch den grünen, düstern,
Keines Menschen Stimme schallt,
Nur die Bäume flüstern:

O, wie wird mein Herz so weit,
Wie so hell mein Sinn!
Mährchen aus der Kinderzeit
Treten vor mich hin.

Ja, ein Zauberwald ist hier!
Was hier lebt und wächs't,
Stein und Blume, Baum und Thier,
Alles ist verhext.

Die auf dürren Laubes Gold
Sich hier sonnt und sinnt,
Diese Natter, krausgerollt,
Ist ein Königskind.

Dort, in jenen dunklen Teich,
Der die Hindin tränkt,
Ist ihr Palast, hoch und reich,
Tief hinabgesenkt.

Den Herrn König, sein Gemahl,
Und das Burggesinde,
Und die Ritter allzumal
Halten jene Gründe;

Und der Habicht, der am Rand
Des Gehölzes schwebt,
Ist der Zaubrer, dessen Hand
Diesen Zauber webt.

O, wüßt' ich die Formel nun,
So den Zauber lös't:
Gleich in meinen Armen ruhn
Sollte sie erlös't,

Von der Schlangenhülle frei,
Mit der Krone blank,
In den Augen süße Scheu,
Auf den Lippen Dank.

Aus dem Teiche wunderlich
Stiege das alte Schloß;
Ans Gestade drängte sich
Ritterlicher Troß.

Und die alte Königin
Und der König, beide,
Unter sammt'nem Baldachin
Säßen sie; der Bäume Grün
Zitterte vor Freude.

Und der Habicht, jetzt gewiegt
Von Gewölk und Winden,
Sollte machtlos und besiegt
Sich im Staube winden. -

Waldesruhe, Waldeslust,
Bunte Mährchenträume,
O, wie labt ihr meine Brust,
Lockt ihr meine Reime!

Ferdinand Freiligrath  1810-1876

 
Waldmärchen

Es lebt ein Ries’ im Wald,
der hat ein Ohr so groß,
wenn da ein Donner schallt,
ist’s ihm ein Jucken bloß.

Er macht so mit der Hand,
als wie nach einer Hummel -
sein eigenes Gehrummel
erschreckt das ganze Land.

Und kommt die Regenzeit,
dann schläft er, und es wird
aus seinem Ohr ein Teich,
und dort sitzt dann der Hirt

und tränkt dran seine Schaf;
doch manchmal dreht, o Graus,
der Ries’ sich um im Schlaf -
und dann ist alles aus.

Christian Morgenstern 1871-1914
 
 
Das Waldkonzert

Konzert ist heute angesagt
im frischen, grünen Wald;
die Musikanten stimmen schon -
hör, wie es lustig schallt!
Das jubiliert
und musiziert,
das schmettert und das schallt!
Das geigt und singt
und pfeift und klingt
im frischen, grünen Wald!

Der Distelfink spielt keck vom Blatt
die erste Violin`;
sein Vetter Buchfink nebenan
begleitet lustig ihn.
Das jubiliert und musiziert ...

Frau Nachtigall, die Sängerin,
die singt so hell und zart;
und Meister Hänfling bläst dazu
die Flöt` nach bester Art.
Das jubiliert und musiziert ...

Die Drossel spielt die Klarinett`,
der Rab`, der alte Mann,
streicht den verstimmten Brummelbass,
so gut er streichen kann.
Das jubiliert und musiziert ...

Der Kuckuck schlägt die Trommel gut,
die Lerche steigt empor
und schmettert mit Trompetenklang
voll Jubel in den Chor!
Das jubiliert und musiziert ...

Musikdirektor ist der Specht,
er hat nicht Rast noch Ruh`,
schlägt mit dem Schnabel spitz und lang
gar fein den Takt dazu.
Das jubiliert
und musiziert,
das schmettert und das schallt!
Das geigt und singt
und pfeift und klingt
im frischen, grünen Wald!

Georg Christian Dieffenbach 1822-1901

 
Waldandacht

Frühmorgens wenn die Hähne kräh'n,
Eh' noch der Wachtel Ruf erschallt,
Eh' wärmer all' die Lüfte weh'n,
Vom Jagdhornruf das Echo hallt,
Dann gehet leise, nach seiner Weise,
Der liebe Herrgott durch den Wald.

Die Quelle, die ihn kommen hört,
Hält ihr Gemurmel auf sogleich,
Auf daß sie nicht die Andacht stört,
So Groß und Klein im Waldbereich,
Die Bäume denken; »Nun laßt uns senken
Vor'm lieben Herrgott das Gezweig!«

Die Blümlein, wenn sie aufgewacht,
Sie ahnen auch den Herrn alsbald,
Und schütteln rasch den Schlaf der Nacht
Sich aus den Augen mit Gewalt
Und flüstern leise, ringsum im Kreise:
»Der liebe Gott geht durch den Wald!«

Lebrecht Dreves (1816 - 1870)
 
 
Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen,
Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.

Fern am Rande fing ein junges Bäumchen an sich sacht zu wiegen,
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen;

Kam es her in mächt'gem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen,
Hoch sich durch die Wipfel wälzend kam die Sturmesflut gezogen.

Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften,
Und dazwischen knarrt' und dröhnt' es unten in den Wurzelgrüften.

Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine,
Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine!

Einer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen;
Alles Laub war weißlich schimmernd nach Nordosten hingestrichen.

Also streicht die alte Geige Pan der Alte laut und leise,
Unterrichtend seine Wälder in der alten Weltenweise.

In den sieben Tönen schweift er unerschöpflich auf und nieder,
In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder.

Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken,
Kauernd in den dunklen Büschen sie die Melodien trinken.

Gottfried Keller (1819 - 1890)

 
Ein Morgen im Walde.

Dunkle Waldesbäume,
Wie sind sie so hold,
Weht durch grüne Bäume
Morgensonnengold.

Efeuzweige ranken
Sich durch's weiche Gras,
Glockenblumen schwanken
Ohne Unterlaß.

Schlanke Stämme breiten
Ihre Wipfel aus,
Heil'ge Schauer gleiten
Durch dies Gotteshaus.

Waldeslust und -leben,
Drüber Himmelsblau!
All dies Blüh'n und Weben
Spiegelt sich im Tau.

Will dein Herz ergrimmen
Ob dem Tun der Welt
Hör des Waldes Stimmen,
Such sein grünes Zelt!

Dort wirst du erhalten
Lautres Wort des Lichts,
Und der Menschen Walten
Sinkt vor ihm ins Nichts!

Eugenie Marlitt 1825-1887

 

Pastors Abendspaziergang

Das Abendroth brennt an des Himmels Saum,
Ich schlendre so, als wie im halben Traum,
Zum Dorf hinaus auf grünem Wiesenwege
Am Wald hinunter, wie ich täglich pflege.

Rings auf der Wiese wimmelt es und schafft,
Vom frischen Heu kommt mit gewürz'ger Kraft
Ein süßer Duft auf kühler Lüfte Wogen,
Mein alter Liebling, zu mir hergezogen.

Roth, Blau und Gold, ein ganzes Farbenreich,
Betrachtet sich im spiegelhellen Teich,
Wild-Enten sieht man durch die Wellen streben
Und hoch in Lüften Weih und Sperber schweben.

Ein flüsternd Wehen geht im dunkeln Wald,
Die Vögel rufen, daß es weithin schallt,
Die Unke will sich auf der Flöte zeigen,
Die Grille zirpt und auch die Schnaken geigen.

Studiren wollt' ich einen Predigtplan,
Nun hör' ich selbst die große Predigt an,
Voll Kraft und Mark, ein Menschenherz zu stärken,
Die große Predigt von des Meisters Werken.

Friedrich Theodor Vischer 1807-1887

 
 
 

 

 

 



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