Der starke Baum

Es wächst ein Baum
Und seine Äste greifen
Kühn in den Raum,
Daß Sterne seinen Wipfel streifen.

Er weiß es, daß
An seinem Wurzelende
Der Neid, der Haß
Sich reichen brüderlich die Hände

Und mit dem Dorn
Der Schelsucht ihn verwunden.
Jedoch kein Zorn
Stiehlt ihm das Glück der frohen Stunden.

Er lächelt bloß
In ruhigem Verstehen:
Dies ist das Los
Von allen, die in Sterne sehen.

Alfons Petzold; 1882 - 1923

Das ist ein Taschentuch-Baum !


Jedesmal wenn dich Unglück trifft, pflanze einen Baum;
der Schatten eines Wäldchens wird dich bald erfreuen.

Arabisches Sprichwort

Gerüche von wildem Rosenholz und von Maibirkenrinde,
Maienhölzergerüche begleiten die Abendluft, die linde,
und sind wie die Gespielen der Blättergewinde,
Geruch der harzigen Fichtentriebe, der hellen,
der Weichselgeruch und der Duft von Schlehblütenzellen.

Über die Gräser der Hügel an allen Stellen bergauf, bergab,
kommen die Bäume zu dir durch die Luft von weitem schon,
als zögen sie atmend am Wanderstab
verliebt in alle Welt davon.


Max Dauthendey, 1876-1918

Die Bäume

Wohl alle Werke meines Herrn

Sind ganz vollkommen schön,

Doch mag ich fast vor allen gern

Die lieben Bäume sehn.

Sie lehren mich manch heilsam Stück

Für meinen Pilgerlauf,

Und ziehn wohl oftmals meinen Blick

Zum Himmel hoch hinauf.

Die alte, hohe Eiche spricht:

»Sei stark, o Menschenherz!

Im Glauben steh' und wanke nicht

Und streck' dich himmelwärts.«

Die Linde sagt: »Sei mild gesinnt,

Sei friedlich, sonder Harm,

Und breite jedem Müden lind

Den schattenreichen Arm.«

Mir winkt der Apfelbäume Frucht:

»Dein Glaube sei nicht Schein,

Und wenn der Gärtner Früchte sucht,

So ernt' er reichlich ein.«

Die Tanne rauscht: »Sei ernst, sei treu,

O Seel', in Freud' und Weh:

Dasselbe Kleid im linden Mai,

Dasselb' in Sturm und Schnee.«

Doch Birke, du mein liebster Baum,

In bräutlich schönster Zier,

Erblick' ich dich im weiten Raum,

So lacht das Herz in mir.

Im weißen Kleid, in grüner Kron',

O Bäumlein, stehst du hier; –

O ständ' ich, Herr! an Deinem Thron

Dereinst in solcher Zier! –

Ihr lieben Bäume, mahnet noch

Recht oft mein irdisch Herz

Und wendet meine Seele doch

In Sehnsucht himmelwärts!

Louise Hensel

1798-1876


 

Der Apfelbaum

In eines Bauers Garten stand
Ein schöner Apfelbaum; doch neigten Hang und Winde
Und Alter ihn zu weit nach linker Hand.
Der Bauer sahs; berief sein Hausgesinde,
Und hielt geheimen Rat. In diesem ward erkannt:
Den Baum mit umgelegten Stricken
Und mit vereinter Kraft ins Gleichgewicht zu rücken.
Man schritt zum Werk, das rasch von Statten ging.
Kein Wunder, zwanzig Ärzte zogen
So derb, daß sie den Stamm noch mehr zur Rechten bogen,
Als er zuvor sich nach der Linken hing.
Zum Teufel! fluchte Kunz, ihr seid so dumm als Pferde,
Der Baum soll aufrecht stehn. Nun schritten klein und groß
Zur zweiten Kur; allein die Wurzeln rissen los
Und krachend fiel der Baum zur Erde.

Gottlieb Konrad Pfeffel, (1736 - 1809)

ALS DIE NOT AM GRÖSSTEN WAR

Apfelbäumchen ist Braut geworden.
Im weißen Blütenkleide
Feiner als indische Seide,
Von Maienglast umsponnen,

Steht es in der Sonnen,
Und spricht dem Lenz sein: Ja!

Apfelbäumchen ist Mutter geworden,
Rotbäckchen trägt’s in den Armen,
Mit Lebenssäften, warmen,

Hat es die Kindlein aufgenährt,
König Sommer hat ihnen Schutz gewährt.

Apfelbäumchen ist Witwe geworden.
Der Lenz, der schöne Lenz ist tot,
Die Kindlein sind fortgegangen.

Es droht der Sturm im Abendrot,
Die Aeste zittern und bangen.

Apfelbäumchen ist Bettlerin worden.
Dürr steht es da in der Einsamkeit,
Und beugt sein Haupt in stummem Leid
Ganz bloß und allen Schmuckes bar.
Herbststürme zerrissen ihm das grüne Haar.

Da tönt eine Stimme zu ihm:
„So nackt und arm, von Frösten steif,
Bist du für meine Güte reif.

So kann ich in Wunder dich kleiden,
Am Ueberfluß deine Armut weiden.“

Und hoch aus dunkler Wolken Gefieder,
Gleitet ein silberner Mantel nieder,
Und hüllt das Dürftige sorglich ein.

Und in der Adern neuem Regen
Fühlt es des Schöpfers Frühlingssegen.

Jedesmal wenn dich Unglück trifft, pflanze einen Baum;
der Schatten eines Wäldchens wird dich bald erfreuen.

Maria Janitschek (1859-1927)

Fest und stark ist nur der Baum,
der unablässig Winden ausgesetzt war,
denn im Kampf festigen
und verstärken sich seine Wurzeln.

Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v. Chr - 65 n. Chr)

Ich verstehe nicht,
wie man an einem Baum vorübergehen kann,
ohne glücklich zu sein.

Fjodor Dostojewskij 1821-1881

Pflanz einen Baum,
Und kannst du auch nicht ahnen,
Wer einst in seinem Schatten tanzt,
Bedenke Mensch:
Es haben deine Ahnen,
Eh' sie dich kannten,
Auch für dich gepflanzt!

Max Bewer (1861-1921)

Der Lieblingsbaum

Den ich pflanzte, junger Baum
Dessen Wuchs mich freute,
Zähl ich deine Lenze, kaum
Sind es zwanzig heute.

Oft im Geist ergötzt es mich
Über mir im Blauen
Schlankes Astgebilde, dich
Mächtig auszubauen.

Lichtdurchwirkten Schatten nur
Legst du auf die Matten,
Eh du dunkel deckst die Flur,
Bin ich selbst ein Schatten.

Aber haschen soll mich nicht
Styrisches Gesinde,
Weichen werd ich aus dem Licht
Unter deine Rinde.

Frische Säfte rieseln laut,
Rieseln durch die Stille.
Um mich, in mir webt und baut
Ewger Lebenswille.

Halb bewusst und halb im Traum
Über mir im Lichten
Werd ich, mein geliebter Baum,
Dich zu Ende dichten.

Conrad Ferdinand Meyer, (1825 - 1898)

Alles heilig

Ich sag es euch 's ist alles Heilig jetzt,
Und wer im Blühen einen Baum verletzt,
Der schneidet ein wie in ein Menschenherz;
Und wer sich eine Blume pflückt zum Scherz,
Und sie dann von sich schleudert sorgenlos,
Der reißt ein Kind von seiner Mutter Schoß;
Und wer dem Vogel jetzt die Freiheit raubt,
Der sündigt an eines Sängers Haupt;
Und wer im Frühling bitter ist und hart,
Vergeht sich gegen Gott, der sichtbar ward! –

Ida von Düringsfeld, (1815 - 1876)

Neues Leben

Standest jüngst noch wie verdorret,
Schlanker Baum auf stiller Au!
Deine kahlen Wipfel schwankten
Trauernd in der Nebel Grau.

Und nun prangst du tausenblütig
In dem schönsten Festtagskleid!
Neues Leben kehrte wieder
Und dahin ist Winterleid.

Stillt auch meines Herzens Sehnen
Bald ein lindes Frühlingsweh'n?
Feiert auch mein Geist beseligt
Bald ein herrlich Aufersteh'n?

Johann Philipp Glöckler, (1819 - 1889)



Die meisten Menschen wissen gar nicht,

wie schön die Welt ist und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen,

in irgendeiner Blume, einem Stein,

einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart.
Die erwachsenen Menschen, die Geschäfte und Sorgen haben,

sich mit lauter Kleinigkeiten quälen,

verlieren allmählich ganz den Blick für diese Reichtümer.

Es geht eine große und ewige Schönheit durch die ganze Welt,

und diese ist gerecht über die kleinen und großen Dinge verstreut.

Rainer Maria Rilke 1875-1926

Bäume

Könige seid ihr,
denn die Erde liebt euch am meisten,
darum hält sie euch
innig fest.
Nährt aus unversiegbarer Fülle
die heiligen Wurzeln.
Aber auch der Himmel liebt euch
im ewigen Kusse,
und der Wind
spielt mit euren Kronen,
oder beugt den schlanken Leib
in mächtiger Umarmung.
Nach des Regens
gütigem Segen
glänzen die Blätter
in schönerem Grün.

Dankbar ist der Fremdling,
der wegmüd
in des Baumes Schatten sinkt,
sein Haupt
an den braunen Stamm lehnt,
wie an eine große Geliebte.
Besänftigendes
steigt in seine Seele.
Nach des Tages Wanderung
schließen sich schwer
die rosigen Lider,
neigt sich
ein Wunderbares
in seinen Traum.
Über dem einsamen Schläfer
tönt das ewige Rauschen ...

Francisca Stoecklin 1894-1931

Sehnsucht

Es kehrt der junge Frühling wieder
Und schmückt dem Baum mit frischen Grün
Und lehrt den Vögeln neue Lieder
Und macht die Blumen schöner blüh´n.
Doch was ist mir die Frühlingswonne
Hier im fernen, fremden Land?
Ich sehn´ mich nach der Heimat Sonne,
Ich sehn´ mich nach der Isar Strand.
Ich sehn´ mich nach den dunklen Bäumen,
Ich sehn´ mich nach dem grünen Fluß,
Der leis in meinen Abendträumen
Gemurmelt seinen Abschiedgruß.

Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn

1837-1898

Der Unterschied

Ein junger Forstmann schwärmte sehr
Für Fräulein Wilhelminen,
Er sagt' ihr oft, wie schön sie wär',
Daß keine der Cousinen
Des Amtmanns zu vergleichen sei
Mit ihr, an loser Schelmerei.

Man feierte ein Fest im Wald,
Der Rückweg führt' am Saume
Hinab, wo fernes Echo schallt,
Schön Minchen ruht am Baume,
Und ruft im Herzen hoch erfreu't:
Wie duften schön die Tannen heut!

Der Jäger sagt: »mein holdes Kind,
Gern möcht' ich Dir erzählen,
Daß Fichten keine Tannen sind.
Willst mich zum Lehrer wählen?«
- Ach! das ist wohl vergeb'ne Müh',
- Hab's oft versucht, doch merk' ich's nie.

»Ich präge Dir's als Gleichniß ein:
Den Tanten ich vergleiche,
Mit dünnen Nadeln, spitz' und fein,
Die schmalen Tannenzweige,
Die schlank und etwas trocken sind,
Sie knarren laut bei jedem Wind.

Doch ist der Zweig recht voll und grün,
Dann ist es eine Fichte,
Um die sich ringsum Nadeln ziehn,
Das Bild der holden Nichte.« -
Die Tanne ist ihr nun bekannt;
Nie ward sie Fichte mehr benannt.

Natalie von Herder 1802-1871

Eilt Euch, eil Dich, die Bäume blühen

Eilt Euch, eil Dich, die Bäume blühen!
Voll Liebesblicke die Bäume stehen;
Eh' Du hingesehen, will's schon vergehen.

Komm zu den hellen verliebten Bäumen,
Die alle Wege jetzt hochzeitlich säumen!
Sollst Dich ins Licht zu ihnen stellen,
Lächeln wird spielend sich zu Dir gesellen,
Daß auch Dir die Blicke verliebt aufglühen. -
Eilt Euch, eil Dich, die Bäume blühen!

Max Dauthendey, 1867 - 1918


 



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