Die Sterne

Die Sterne leben heute Nacht,
Als sind sie eben zur Welt gebracht;
Als bieten sich alle dem Leben an,
Wie Kind und Weib und ein jeder Mann.
Sie stehen in silbernen Gehäusen,
Sie wehen wie Blumen in blitzenden Sträußen,
Sie sehen durch kahle Winterhecken,
Als glänzen Goldeier aus Erdverstecken.
Sind wie die Eidechsen mit flinken Schwänzen;
Durchflechten die Bäume gleich gläsernen Kränzen;
Als kamen Reiter, die unsichtbar blieben,
Und nur die Funken der Hufe stieben.
Sie sind die Fußtapfen der Ewigkeit,
Die Millionen Augen am Kopf der Zeit.
Sie leuchteten einst schon Deinem Ahn'
Und wachsen mit Deinen Kindern heran.
Wohin wollen alle die Sterne nachts wallen,
Und wo ist der Schoß, in den sie fallen?
Wir gingen hinter den Sternen her,
Und nirgends waren Wege von Sternen leer,
Als wollten sie Dir ans Haar anstreifen,
Als mußte Dein Rocksaum durch Sterne schleifen.
Sie hingen magnetisch um Dach und Wand,
Über Hügel und Tal sich Sternenstaub fand.
Sie bedrängten, wie nur verliebte Gesellen,
Den Leib der Erde an allen Stellen.
Sie banden sich fest an unsern Schritt
Und gingen in hellen Gesellschaften mit.
Sie lassen uns nirgends heut nacht allein,
Sie spüren, wie Menschen, durch Türen herein.
Sie wollen, daß wir die Augen schließen,
Und uns nur fühlen und nichts mehr wissen,
Damit sie ihre knisternden Wege gehen,
Sie, die wie wir voll Flammen stehen.

Max Dauthendey 1867 - 1918

Letzte Sterne

Im grauen, dämmernden Morgen hin
Mein Fuß führt in die Ferne;
Am Himmel halb verglommen glühn
Zwei kleine, bleiche Sterne.

Sie sind der Mutter nicht nachgerannt
Wie all die anderen Lichtlein,
Und stehen nun scheu am Himmelsrand
Mit blassen Wartegesichtlein.

Sie möchten einmal, so schlimm es ist,
Voll Neugier und voll Grauen
Ihn, der die kleinen Sternlein frißt,
Den Riesen "Sonne" schauen.

Und ob sie daran zugrunde gehn,
Sie folgen dem ewigen Triebe ...
Die oben müssen die Sonne sehn
Und wir hier unten die Liebe. -

A. De Nora  1864 - 1936

Der Abendstern

Du lieblicher Stern,
Du leuchtest so fern.
Doch hab‘ ich dich dennoch
Von Herzen so gern.

Wie lieb‘ ich doch dich
So herzinniglich!
Dein funkelndes Äuglein
Blickt immer auf mich.

So blick‘ ich nach dir,
Sei‘s dort oder hier:
Dein freundliches Äuglein
Steht immer vor mir.

Wie nickst du mir zu
In fröhlicher Ruh!
O liebliches Sternlein,
O wär‘ ich wie du! 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Christiane

O gäb’s doch Sterne, die nicht bleichen

O gäb’s doch Sterne, die nicht bleichen,
Wenn schon der Tag den Ost besäumt;
Von solchen Sternen ohnegleichen
Hat meine Seele oft geträumt.

Von Sternen, die so milde blinken,
Dass dort das Auge landen mag,
Das müde ward vom Sonnentrinken
An einem goldnen Sommertag.

Und schlichen hoch ins Weltgetriebe
Sich wirklich solche Sterne ein,-
Sie müßten der verborgnen Liebe
Und allen Dichtern heilig sein.

Rainer Maria Rilke  1875-1926
 
 
Wer hat die schönsten Schäfchen?

Die hat der goldne Mond,
der hinter unsern Bäumen
am Himmel droben wohnt.

Er kommt am späten Abend,
wenn alles schlafen will,
hervor aus seinem Hause
zum Himmel leis und still.

Dann weidet er die Schäfchen
auf seiner blauen Flur;
dann all die weißen Schäfchen
sind seine Sterne nur.

Sie tun sich nichts zuleide,
hat eins das andre gern,
wie Schwestern und wie Brüder
da oben Stern an Stern.

Hans Hofmann von Fallersleben  1798-1874
 
Blumen und Sterne

Sterne sind Blumen am Himmelsazur,
Blumen sind Sterne der irdischen Flur,
Sterne am Himmel und Blumen im Land,
Beide gesät von allmächtiger Hand.

Blumen im Felde — manch lieblichen Strauss
Pflückt ich mit Freuden und trug ihn nach Haus,
Sterne am Himmel — wie oft in der Nacht
Schaut ich empor zu der funkelnden Pracht!

Blumen der Wiese, sie blühen so schön,
Aber sie müssen so balde vergehn;
Ewig am Himmel blüht Stern wohl an Stern,
Aber sie stehen so hoch und so fern.

Oft von der Blumen verwelkendem Flor
Blickt ich zu himmlischen Sternen empor,
Aber es kehrte der irdische Blick
Gern auch von Sternen zu Blumen zurück.

Traun mich erfreute kein Blümlein im Feld
Glänzte nicht drüber das Sternenzelt,
Trann mich erschreckte der himmlische Saal,
Blühte kein Blümlein im irdischen Tal.

Drum so verehret die himmlische Macht,
Welche so Blumen, wie Sterne gemacht,
Drum so verdenket dem Sänger es nicht,
Wenn er die Blumen mit Sternen durchflicht.

Sind auch die Sterne nicht glänzend genug:
Nehmt zu den Sternen nur selber den Flug;
Dünkt euch der Sänger kein Fürst im Gesang:
Zählt man doch Sterne vom siebenten Rang!

Scheinen die Blumen euch dürftig und bleich:
Tausende blühen ringsum noch im Reich;
Jeglicher Frühling streut schönere aus,
Wählet und bindet euch selber den Strauss!

Karl Gerok  1815-1890
 

Der Abendstern

Du lieblicher Stern,
Du leuchtest so fern.
Doch hab‘ ich dich dennoch
Von Herzen so gern.

Wie lieb‘ ich doch dich
So herzinniglich!
Dein funkelndes Äuglein
Blickt immer auf mich.

So blick‘ ich nach dir,
Sei‘s dort oder hier:
Dein freundliches Äuglein
Steht immer vor mir.

Wie nickst du mir zu
In fröhlicher Ruh!
O liebliches Sternlein,
O wär‘ ich wie du!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874

Verratene Liebe

Da nachts wir uns küßten, o Mädchen,
Hat keiner uns zugeschaut.
Die Sterne, die standen am Himmel,
Wir haben den Sternen getraut.
Es ist ein Stern gefallen,
Der hat dem Meer uns verklagt,
Da hat das Meer es dem Ruder,
Das Ruder dem Schiffer gesagt.
Da sang der selbige Schiffer
Es seiner Liebsten vor.
Nun singen's auf Straßen und Märkten
Die Knaben und Mädchen im Chor.

Hans Christian Andersen (1805 - 1875)
 
 
Liebesmacht

Wer in sich pflegt den Geist der Liebe
Dem lebt er in der ganzen Welt,
Dem sprüht er nachts aus tausend Sternen
Und tags vom lichten Himmelszelt.

Wer in sich nährt den Geist des Hasses,
Aus dem tritt finster er heraus
Und löscht die Liebe in den Sternen
Und löscht sie in den Sonnen aus.

Otto von Leixner (1847 - 1907)

Es fiel ein Stern

Ein Soldat voll Mut und Kraft
Hat sich ein Mädchen angeschafft.

Er geht mit ihr so ganz allein
Des Nachts im goldnen Sternenschein.

Er küsset ihren Nelkenmund,
Er streichelt ihre Wangen rund.

"O Liebster, was ich gesehen hab!
Es fiel ein Stern vom Himmel ab!"

"Und fällt ein Stern vom Himmel hoch,
Ich liebe dich nur heißer noch..."

"Es fiel der Stern grad in dein Herz,
Das macht mir bitter Schmerz und Schmerz..."

Am Morgen zog er in die Schlacht.
Sie haben ihn tot zurückgebracht.

Es floß das Blut aus seiner Brust
Wie Gold so gelb aus seiner Brust.

Auf seinem Grabe leuchtend steht
Von Sternenblumen gelb ein Beet.

Klabund 1890 - 1928
 
Sternschnuppen

An so blauen Abenden, liebe Kinder,
Gehen die Englein als Sternanzünder
Über den Himmel, Schritt vor Schritt,
Hat jedes ein Schächtelchen Streichhölzer mit.

Seht ihr, jetzt wird es langsam Nacht.
Schon glühn tausend Sternlein. Ist das eine Pracht!
Die Zündhölzchen aber löschen sie aus
Und gehn artig schlafen ins Engelhaus.

Sind aber auch unartige Englein dort;
Die werfen die glimmenden Zündhölzchen fort.
Seht ihr, dort oben, im großen Bogen
Kommt just so ein glimmendes Streichholz geflogen.

Ja, die himmlischen Hölzchen leuchten sehr.
Sie fallen alle auf große Inseln im Meer,
Dort glimmen sie weiter als Morgenrot,
Und erst der junge Tag tritt sie tot.

Die sind unser Glück, diese Meeresinseln;
Ihr wißt, brave Kinder dürfen nicht zünseln!
Der liebe Gott hat auch solche Engel nicht gern:
Darf keiner mehr abends zu einem Stern!

Hugo Salus  1866 - 1929
 
Wenn man den Sternenhimmel betrachtet, steht eine Schönheit vor uns auf,
die uns entzückt und beseligt. Und es wird ein Gefühl in unsere Seele kommen,
das alle unsere Leiden und Bekümmernisse majestätisch überhüllt und verstummen macht
und uns eine Größe und Ruhe gibt, der man sich andächtig und dankbar beugt.

Adalbert Stifter (1805 - 1868)
 
Ballade

Und die Sonne machte den weiten Ritt
Um die Welt,
Und die Sternlein sprachen: "Wir reisen mit
Um die Welt";
Und die Sonne, sie schalt sie: "Ihr bleibt zu Haus!
Denn ich brenn euch die goldnen Äuglein aus
Bei dem feurigen Ritt um die Welt."

Und die Sternlein gingen zum lieben Mond
In der Nacht,
Und sie sprachen: "Du, der auf Wolken trohnt
In der Nacht,
Laß uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein,
Er verbrennet uns nimmer die Äugelein."
Und er nahm sie, Gesellen der Nacht.

Nun willkommen, Sternlein und lieber Mond,
In der Nacht!
Ihr versteht, was still in dem Herzen wohnt
In der Nacht.
Kommt und zündet die himmlischen Lichter an,
Daß ich lustig mit schwärmen und spielen kann
In den freundlichen Spielen der Nacht.

Ernst Moritz Arndt  1769-1860
 
Vertrau!

Wenn an dem Firmamente
Ein Stern im Sturm zerfliegt,
Siehst du, dass dann die Erde
In tieferm Dunkel liegt?

Ich sah schon hundert Sterne
Sterben in einer Nacht:
Doch jeden Abend funkelt
Noch ungezählte Pracht.

Vertrau - wenn dir im Leben
Ein Stern im Sturm zergeht:
Eine Ewigkeit in Sternen
Still über Stürmen steht.

Karl Ernst Knodt  1856-1917
 

 

 



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