Empfehlung

Du bist nervös. Drum lies doch mal
Das Buch, das man dir empfahl.
Es ist beinah wie eine Reise
Im alten wohlbekannten Gleise.
Der Weg ist grad und flach das Land,
Rechts, links und unten nichts als Sand.
Kein Räderlärm verbittert dich,
Kein harter Stoß erschüttert dich,
Und bald umfängt dich sanft und kühl
Ein Kaumvorhandenseingefühl.
Du bist behaglich eingenickt.
Dann, wenn du angenehm erquickt,
Kehrst du beim »stillen Wirte« ein.
Da gibt es weder Bier noch Wein.
Du schlürfst ein wenig Apfelmost,
Ißt eine leichte Löffelkost
Mit wenig Fett und vieler Grütze,
Gehst früh zu Bett in spitzer Mütze
Und trinkst zuletzt ein Gläschen Wasser,
Schlaf wohl, und segne den Verfasser!

Wilhelm Busch, (1832 - 1908)



Die beiden Vulkane

Im weißen Haar und Bart
Hab' ich die Glut bewahrt:
Wie Gott der Herr erschuf
In Welschland den Vesuv:
Im Herzen Brand, am Haupte Schnee,
Zuweilen thut's den beiden weh:
Der eine bricht in Lava aus,
Beim andern werden Verse draus.

Felix Dahn, (1834 - 1912)



Wie gelehrig ist ein Kind!
So wie du es lehrest lesen
In dem Buch, in dem wir sind,
So wird einst sein ganzes Wesen.
Wie gelehrig ist ein Kind!

Willst du segnen, lehr' ein Kind!
Aus dem Körnlein werden Ähren,
Wie dein Körnlein war gesinnt,
Wird das Brot die Welt einst nähren.
Willst du segnen, lehr' ein Kind!

Clemens Brentano 1778-1842



Avant-Propos

Ich kann mein Buch doch nennen, wie ich will
Und orthographisch nach Belieben schreiben!
Wer mich nicht lesen mag, der laß es bleiben.
Ich darf den Sau, das Klops, das Krokodil
Und jeden andern Gegenstand bedichten,
Darf ich doch ungestört daheim
Auch mein Bedürfnis, wie mir's paßt, verrichten.
Was könnte mich zu Geist und reinem Reim,
Was zu Geschmack und zu Humor verpflichten? -
Bescheidenheit? – captatio – oho!"
Und wer mich haßt, – sie mögen mich nur hassen!
Ich darf mich gründlich an den Hintern fassen
Sowie an den avant-propos.

Joachim Ringelnatz, (1883 - 1934)



Bei der Großmutter

Wie traulich ist's im stillen Zimmer,
Die Uhr tickt heimlich auf dem Schrank,
Um Blumen spielt der Sonne Schimmer,
Und Tisch und Bank sind spiegelblank.

Im weichen Lehnstuhl sitzt das alte,
Schier achtzigjährige Mütterlein,
Auf welker Stirne Falt' an Falte,
Doch in den Augen Sonnenschein!

Vertraulich schmiegt sich ihrem Schoße
Ein blühend Kinderpärchen an,
Dem sie das Bilderbuch, das große,
Auf vieles Bitten aufgetan.

Nun blühen Märchen aus dem Munde,
Wie Rosen aus dem Dorn erblüh'n,
Die Kleinen lauschen still der Kunde,
Und ihre vollen Wangen glüh'n.

's ist nur ein Bild, doch füllt es immer
Die Augen mir mit Tränentau,
Mir ist, als kennt ich dieses Zimmer,
Die Kinder und die alte Frau.

Julius Karl Reinhold Sturm, (1816 - 1896)



Aus einer großen Gesellschaft heraus
Ging einst ein stiller Gelehrter zu Haus.
Man fragte: Wie seid ihr zufrieden gewesen?
»Wärens Bücher«, sagt er, »ich würd sie nicht lesen.«

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832



Wunderlichstes Buch der Bücher
ist das Buch der Liebe!
Aufmerksam hab' ichs gelesen:
wenig Blätter Freuden,
ganze Hefte Leiden!

Goethe 1749-1832

Häufig schlägt der Ratsuchende das Buch eines Dichters auf,
der von ganz anderen Dingen schreibt,
und es springt ihm doch eine Stelle ins Auge,
die wunderbar auf sein Problem zutrifft.
 
Augustinus 354 nach Christi-430 nach Christi



Was ein richtiges Buch ist,
das muss den ganzen Haushalt durcheinanderbringen:
die Familie prügelt sich, wer es weiterlesen darf,
die Temperatur ist beängstigend
und Mittag wird überhaupt nicht mehr gekocht.

Tucholsky 1890-1935



Vergessen sah im Buch ich liegen
Ein Blümchen, das den Duft verlor;
Und seltsame Gedanken stiegen
In meiner Seele da empor:

Wo blühte es? in welchem Jahre?
Wie lange? und wer pflückt' es ab?
Stak einem Mädchen es im Haare?
Warum fand es im Buch sein Grab?

Erinnerung an ein Wiedersehen,
An eines Abschieds Schmerzgewalt,
An einsames Spaziergehen
Im stillen Feld, im dunklen Wald?

Ist sie noch seines Lebens Freude?
Wo sind sie nun, an welchem Ort?
Sind Glück und Leben schon für beide,
Wie diese Blume hier, verdorrt?

Alexander Sergejewitsch Puschkin, (1799 - 1837)



Die Übersetzung

In diesem Buch, sprach Rolf, versteh' ich nicht ein Wort,
Drum seid so gut und helft mir doch ein wenig fort.
Da wird euch, sprach ich, wohl die Übersetzung dienen,
Die jüngst davon in Wien erschienen.
Nicht doch, erwidert Rolf, und lacht:
Denn, Freund, die hab' ich selbst gemacht.

Friedrich August Weisshuhn, (1759 - 1795)



Der Abend ist mein Buch

Der Abend ist mein Buch. Ihm prangen
die Deckel purpurn in Damast;
ich löse seine goldnen Spangen
mit kühlen Händen, ohne Hast.

Und lese seine erste Seite,
beglückt durch den vertrauten Ton, -
und lese leiser seine zweite,
und seine dritte träum ich schon.

Rainer Maria Rilke, (1875 - 1926)



Hörst du's schlagen halber acht?
Gleich das Buch zurechtgemacht!
Schau, schon rudelts, groß und klein,
dick und dünn zur Schul hinein.
Willst du gar der Letzte sein?
Schnell die Mappe übern Kopf
Und die Kappe auf den Schopf!
Und nun spring und lern' recht viel.
Wer sich tummelt kommt ans Ziel.

 Friedrich Wilhelm Güll, (1812 - 1879)



Geh in dich hinein und hole das Wissen aus deinem eigenen Selbst heraus.

Du bist das größte Buch, das jemals war und jemals sein wird ...

Alle äußere Belehrung ist vergebens, solange der innere Lehrer nicht erwacht.

Es muß dazu führen, daß das Buch des Herzens sich öffnet, um wertvoll zu sein.

Swami Vivekânanda, (1863 - 1902)


Ein Buch ist dem Verfasser,
was den Schönen ihr Bild im Spiegel ist.

Jean Paul 1763-1825



Buch und Rose

Ein altes Buch in pergamentnem Band,
Jahrhunderte vielleicht nicht aufgeschlagen -
Weil fremd sein Wort erklingt aus fremdem Land
Und alte Dichter wenig behagen.
Ein altes Buch fiel jüngst mir in die Hände,
Und wie ich träumend seine Blätter wende,
Und Moderstäubchen wirbelnd mich umfliegen,
Seh staunend ich in seinem Schoß verdorrt,
Doch Lenzensduft noch hauchend fort und fort,
Verblichen, farblos eine Rose liegen.

Friedrich Halm (1806 – 1871)



Der Bücherwurm

Ich sitze über ein Buch gebeugt, ich habe vertieft mich und verträumt,
Das Feuer erlosch, kalt ist's im Gemach, ich habe Bett und Schlaf versäumt.
Die schöne Freundin, die bei mir ist, fühlt endlich ihren Zorn entfacht,
Sie reißt die Lampe vom Tische fort, denn längst schon hat sie das Bett gemacht,
Und fragt mich: Lasest du nun genug? Und weißt du nicht, wie spät es ist?
Das nenn' ich einen wackern Mann, der über dem Lesen das Lieben vergißt.

Tsen-Tsai, Jan (1716 - 1797)

(Übersetzer: Richard Zoozmann 1863 - 1934)



 



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