Das Schöne bewundern,
Das Wahre behüten,
Das Edle verehren,
Das Gute beschließen;
Es führet den Menschen,
Im Leben zu Zielen,
Im Handeln zum Rechten,
Im Fühlen zum Frieden,
Im Denken zum Lichte;
Und lehret ihn vertrauen
Auf göttliches Walten
In allem, was ist:
Im Weltenall,
Im Seelengrund.

Rudolf Steiner, (1861 - 1925)

Das Wunder im Park

Ein dumpfer Mensch saß unter Bäumen
und nährte Bitterkeit und Groll,
statt seine Galle fortzuräumen
und froh zu atmen, wie man soll.

Da kam ein Blinder, seltsam leise
hintastend im Bereich des Lichts,
und pfiff den Vögeln, Spatz und Meise,
und stand verzauberten Gesichts.

Wie Sankt Antonius streut' er Krumen,
entrückt und selig ganz und gar;
es schien, er reichte selbst den Blumen
und Baum und Himmel etwas dar.

Da war dem Traurigen, er finde
zum erstenmal des Lebens Sinn,
und plötzlich sah es — wie der Blinde —
und gab sich ganz dem Wunder hin.

Peter Scher, (1884 - 1935)

Der blinde Geiger.

Es sitzt ein blinder Geiger
Am Markt und spielet auf:
Viel Leute gehn vorüber,
Doch Niemand höret drauf.

Er spielt die schönsten Weisen
Recht aus des Herzens Grund,
Und gibt in Sehnsuchtstönen
Sein tiefstes Leben kund.

Die Leute gehn und schauen
Hinauf am nächsten Haus:
Da sieht ein großer Affe
Vornehm zum Fenster 'raus!

Ein junges Kind nur einzig
Bleibt bei dem Geiger stehn,
Und gibt ihm einen Heller
Mild im Vorübergehn.

Die arme Dirn' ist töricht,
Weil sie der Herzwurm plagt;
'S ist eine böse Krankheit,
Dem Himmel sei's geklagt!

Wohl weiß ich, was sie heilet;
Doch ist das Mittel rar;
Die Meisten siechen ewig,
Und viele sterben gar.

Ich selbst, ich bin der Geiger
Und spiele mich in Schlaf;
Wer aber ist der Affe?
Man sagt, er sei ein – Graf!

Joseph Christian von Zedlitz 1790-1862

Die Ausgrabungen in Olympia

Und wird die Welt auch noch so alt,
Der Mensch, er bleibt ein Kind!
Zerschlägt sein Spielzeug mit Gewalt,
Wie eben Kinder sind!

Wann alles erst in klein zerstückt
Und nichts mehr zu verderben,
So sucht er wieder - neubeglückt -
Und spielt dann mit den Scherben!

Carl Spitzweg, 1808-1885

Die meisten Menschen wissen gar nicht,
wie schön die Welt ist
und wieviel Pracht in den kleinsten Dingen,
in einer Blume, einem Stein,
einer Baumrinde oder einem Birkenblatt
sich offenbart.
Rainer Maria Rilke 1875-1926

Lebensdrang

Zerre nicht ferner am bergenden Schleier,
Hüllt sich in Dunkel doch ewiges Sein!
Ladet das Leben zur bunten Feier,
Thörichtes Herz, uns nicht lockend ein?
Heija! erschließen dem werbenden Rausche
Will ich Gedanken und alles, was mein:
Nimm mich dahin im heiligen Tausche,
Schönste Wahrheit ist: Mensch zu sein.

Therese Dahn, (1845 - 1929), geb. Therese von Droste-Hülshoff

Menschen

Als ich, mit der Welt zerfallen,
  Schweigend ging umher,
Da fragten die lieben Menschen:
  Was quälet dich so sehr?

Ich sagte ihnen die Wahrheit;
  Sie haben sich fortgedrückt
Und hinter meinem Rücken
  Erklärt, ich sei verrückt.

Ada Christen 1839-1901


 



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